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«und»-Blog: Elias Rüegsegger, der Initiant

02.10.2022

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Dieser Beitrag ist ursprünglich bei «und» das Generationentandem online erschienen: https://www.generationentandem.ch/about/ueber-und/

Vor zehn Jahren machte sich Elias Rüegsegger, damals 17 Jahre alt, an seine Maturarbeit: ein Magazin, das von Jung und Alt gemeinsam geschrieben wird. Daraus entstand der Verein «und»das Generationentandem. Mit Ueli Ingold spricht er über seinen Idealismus, was «und» für ihn bedeutet, und wie er zu neuen Ideen kommt.

Ueli Ingold: Elias, zehn Jahre «und» das Generationentandem, wie fühlst du dich?

Elias Rüegsegger: Dass es mich noch immer bei «und» gibt, ist doch ein gutes Zeichen. Mir macht die Arbeit grosse Freude. Ich erlebe oft ein Wechselbad der Gefühle. Es gibt Tage, da bin ich top motiviert, und an anderen Tagen oder in der Nacht habe ich Zweifel. Wahrscheinlich gehört das zu meiner Rolle des Initianten und des Geschäftsleiters.

Elias, wer bist du?

Ich glaube, das Menschsein bedeutet, in Beziehung zu sein. Mein Sein hört nicht an der Grenze meiner Haut auf. Ich bin nur mit anderen. Ich bin, glaube ich, ein Mensch mit vielen Ideen. Aber auch eine Person mit einer melancholischen, zum Teil depressiven Seite, was immer wieder herausfordernd ist.

Magst du mehr darüber erzählen?

Das hat viel mit meiner Geschichte zu tun. Meine Schwester nahm sich 2014 das Leben, nachdem sie zwei Jahre lang in der Psychiatrie war. Da ist und bleibt ein grosser Schrecken, dass sie nicht mehr da ist. Die Trauer und der Tod nehmen in meinem Leben einen grossen Platz ein.

Das klingt schwierig.

Ja. Aber es gibt auch den aktiven Teil: Ich will etwas Sinnvolles tun. Und im Kleinen die Welt verändern. Ich bin, glaube ich, durch und durch ein Idealist. Ich möchte leben, wie wenn ich ein bedingungsloses Grundeinkommen hätte. Mir ist egal, mit welchem Teil meiner Arbeit ich Geld verdiene – solange ich einfach das tun kann, was ich wirklich will.

Bist du ein leidenschaftlicher Mensch?

Ja. Und: Ich bin wirklich überzeugt, dass Leben auch Leiden bedeutet. Wenn jemand den Anspruch hat, im Leben glücklich zu sein, dann mag ich ihm, oder ihr das gönnen und ich will es niemandem ausreden. Glück ereignet sich im besten Fall ab und zu von selbst. In meiner Erfahrung oft gerade dann, wenn ich zuvor leidenschaftlich an etwas gearbeitet habe. Wenn ich zuvor also auch etwas gelitten habe. Die Bedeutung des Glücks ist grösser, wenn ich mich dafür leidenschaftlich eingesetzt habe.

Was ist «und» für dich?

«und» ist mein Beruf – wahrscheinlich mehr als das. Unter meinem Engagement hier verstehe ich mehr als nur eine bezahlte Lohnarbeit. Ich habe das Privileg, dass ich «und» das Generationentandem nun seit über zehn Jahren begleiten kann. «und» bewegt mich.

Ja, und nachher kommt manchmal der Gedanke, was wäre gewesen, wenn es diese Maturarbeit nicht gegeben hätte? Was hätte das bedeutet für mein Leben. Für das Leben all der Engagierten? Da wird man nach zehn Jahren schon ein bisschen emotional.

Wie ist «und» das Generationentandem entstanden?

«und» war die zweite Wahl für meine Maturarbeit. Zuerst wollte ich Rätoromanisch lernen, zusammen mit meiner Schwester. Wir hatten sogar schon angefangen, Wörtchen zu büffeln.

Dann kam eine andere Idee?

Genau. Denn ich habe mich immer für den Journalismus interessiert. So habe ich für den PFEFFER, die Jugendseite des Thuner Tagblatts, geschrieben. Schon als Kind schrieb ich während vielen Jahren jeden Monat eine Familienzeitung. Zuerst war sie nur eine Seite lang, danach uferte sie auf acht Seiten aus. Ja, und dann tauchte die Idee auf, eine Stufe weiterzugehen. Einmal ein richtiges Magazin machen. Zuerst dachte ich an ein Magazin von Jugendlichen für Jugendliche.

Diese Idee hat sich nicht genauso durchgesetzt …

Genau, ein Freund meiner Eltern, Michael Gerber, der selbst Journalist war, sagte mir, dass ich noch eine Story brauche. Denn: Magazine gibt es viele. Beim Thuner Tagblatt hatten wir eine Zusammenarbeit mit der 60Plus-Seite, das war toll. Dann begann ich, ältere und jüngere Leute zu kontaktieren und ein Teamtreffen einzuberufen, welches schlussendlich das erste Redaktionstreffen war. Geschrieben habe ich bei der Testausgabe selbst wenig. Ich war die Spinne im Netz, welche alles organisierte. So entstand die erste Ausgabe.

Und die Maturarbeit?

Das war die grössere Hürde: die wollte noch geschrieben sein. Neben dem Praxisprodukt, der Testausgabe, schrieb ich also diese Dokumentation. Eine andere Geschichte war dann die Entstehung des Vereins. Zur Gründungsversammlung kamen etwa 20 bis 30 Leute, vor allem jene, die die Testausgabe miteinander geschrieben hatten.

Wir überlegten gar nicht gross, was das jetzt bedeutet, was wir da jetzt starten. Wir wussten einfach, jetzt wollen wir weiterfahren mit der nächsten Ausgabe. Am Anfang ging es primär und ausschliesslich um dieses Magazin und darum, die Generationen zu verbinden. Erst später kam die heutige Vielfalt dazu.

Du hast viele Ideen. Wie geht das?

Nach einem erfüllten Arbeitstag drehen sich meine Gedanken, wenn ich am Abend im Bett liege. Dann kommt Idee um Idee. Wichtig ist da, schnell Ordnung in die Ideen zu bringen. Eine Idee an sich ist schön und gut – sie beflügelt. Aber die Idee an sich ist noch nichts.
Darum frage ich mich: Was setze ich wirklich um? Was will ich angehen? Vielleicht auch: Wo muss ich andere Leute ins Boot holen? Setzt sich meine Idee durch? Das ist nicht immer der Fall. Viele Ideen sind nicht gut genug. Die besten Ideen sind sowieso jene, bei denen ein Team am Schluss nicht mehr weiss, wer sie gehabt hat.

Warum ist «und» erfolgreich?

Ich weiss nicht einmal, ob wir so erfolgreich sind. Wie wollen wir den Erfolg messen? Wenn wir gesagt hätten, wir machen nur das Magazin und setzen alle Energie darauf, dann wäre das Magazin heute wahrscheinlich erfolgreicher. Das gleiche gilt für andere Projekte von uns. Das Dilemma ist, dass unser Engagement so vielfältig ist. Und: Wir stemmen alles aus einem Ressourcentopf finanziell und personell.

Dann stimmt die Strategie nicht?

Vielleicht. Wir sind immer dann erfolgreich, wenn genug Menschen hinter den Kulissen ein Projekt emotional mittragen und sich mit ihrem Engagement reinhängen.

Das klingt aber nach einem hohen Anspruch.

Ja. Aber ich bin überzeugt, dass Projekte, die neu entstehen, diese Energie brauchen. Das spüren die Leute und das überzeugt letztlich.

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Beitrag von:

Ueli Ingold (67)
Pensionierter Kardiologe. Interessiert an Musik, Theater, Politik und Sport.

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