Bewegen – Begegnen – Berühren Intergeneratives Yoga für Vorschulkinder und Hochaltrige
Gesundheit, Sport & Bewegung , Bildung
22. Juli 2014

Die Physiotherapeutin Renate Scholz praktiziert in ihren Kursen Yoga gemeinsam mit Vorschulkindern und Hochaltrigen. Die generationenübergreifende Aktivität macht beidseitig Freude und fördert die Kommunikationsfähigkeit.
30 Menschen befinden sich in einem Raum. Kinder sitzen auf ihren blauen Yogamatten. Senioren werden in Rollstühlen hereingefahren. Sie können nur noch sitzen. Alle sind aufgeregt. Gleich werden sie gemeinsam Yoga praktizieren. Dazu gibt es ein Thema – eine Geschichte, die den roten Faden durch diese Stunde bildet. Mal lautet das Thema «Zirkus», ein anderes Mal ist es eine «Geistergeschichte». Zu Beginn werden alle Teilnehmenden von der Kursleiterin Renate Scholz begrüsst. Diese Begrüssung ist eines von vielen Ritualen der Yogastunde. Die Rituale legen den Rahmen, in dem die Teilnehmenden Orientierung und Sicherheit finden. Dann erfüllt der helle Ton einer Klangschale den Raum: Stille tritt ein und die Hauptpraxis beginnt.
Die Übungen bestehen aus 6 bis 7 Haltungen (Asanas). Diese sind Teil der thematischen Geschichten, die Renate Scholz gemeinsam mit allen entwickelt. Beispielsweise kann ein Clown oder ein Löwe vorkommen, der im Zirkus auftritt. Die Raubkatze hat grosse weite Augen – der Spassmacher beschreibt lustige Bewegungen. Die Kinder können die Asanas vollständig umsetzen, für die Senioren werden sie abgewandelt. «Man muss erfinderisch sein», weiss Frau Scholz. Wird es einmal unruhig, ertönt erneut die Klangschale.
Vom Zweifel zum Erfolg
Anfangs plagten die Kursleiterin Renate Scholz arge Zweifel. Yoga mit jungen und mit hochaltrigen Menschen zu praktizieren – kann das funktionieren? Die ausgebildete Physiotherapeutin kennt sich aus in der Arbeit mit Kindern und behinderten Menschen und unterrichtet seit geraumer Zeit Yoga – für Kinder wie auch für Erwachsene. Lange Zeit tat sie dies jedoch jeweils in getrennten Kursen und nicht in gemischtaltrigen Gruppen. Die Idee, Vorschulkinder und Hochaltrige gemeinsam zu unterrichten, entstand im Rahmen des deutschen Projekts «Begegnungen». Zehn Einheiten hat Renate Scholz daraufhin geleitet, und es war eine tolle Bereicherung und ein grosser Erfolg.
Eine Sprache für zwei Zielgruppen
Yoga stammt ursprünglich aus Indien und ist eine philosophische Lehre. Der Begriff selbst kann Vereinigung oder Integration bedeuten. Geistige wie körperliche Übungen sollen helfen, Körper, Geist und Seele zu vereinen. Dies geschieht durch Atem- und Meditationsübungen, die in Ruhe und Stille vollzogen werden. Ziel ist eine Verbesserung der Vitalität und das Erlangen von innerer Gelassenheit. Was aber ist der Nutzen von Yoga für Senioren? Renate Scholz fasst die positiven Wirkungen wie folgt zusammen: «Es aktiviert den Geist, fördert die Konzentration und verbessert die Koordination der Bewegungen. Yoga bringt Freude, Spaß und ist eine erfüllende Beschäftigung.»
Gewinn für beide Seiten
Das sind alles erfolgreiche Konzepte für den alternden Menschen. Wie sieht es aber bei Kindern aus? Ist die Suche nach Ruhe und Stille nicht konträr zum kindlichen Drang nach Bewegung und Überschwang? Renate Scholz nennt auch hier die förderlichen Wirkungen der Yogaübungen: «Kinder erlangen Ausgeglichenheit, Stabilität und Balance. Die Koordination und das Rhythmusgefühl werden gefördert. Konzentration und Disziplin verbessern die Lernfähigkeit. Vor allem entwickelt sich die Kommunikationsfähigkeit durch das gemeinsame Üben.»
Die Wirkungen sind also bei beiden Zielgruppen nachweislich gut. Reicht das aber für ein gemeinsames Üben? «Die Senioren sind in Anwesenheit der Kinder viel aufmerksamer als alleine», berichtet Renate Scholz. «Sie kommen in den Spielen mit den Kindern viel besser in die komplexen Yoga-Haltungen hinein. Auch ist ihr Schmerzempfinden deutlich reduziert. Sie schöpfen ihr Bewegungspotenzial mithilfe der Kinder sehr gut aus». Doch auch die Kinder profitieren: «Sie verlangsamen ihre Bewegungen, sie schauen zu den Älteren und helfen ihnen, indem sie zu ihnen hingehen, ihre Hand halten und lauschen», sagt Scholz. Die Stunde ist für beide Altersgruppen ein grosser Gewinn. Das Konzept und ihre ersten Erfahrungen stellte Renate Scholz auch auf der Abschlusstagung “Begegnungen” der Evangelischen Hochschule Freiburg (D) vor.
Sind Ihnen in der Schweiz auch Erfahrungen mit intergenerativem Yoga oder anderen meditativen Sportarten bekannt?
Ein Blogbeitrag von Michael Hausammann
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