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Dinge neu denken – oder „Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik“ (Teil I)

SAGW-Tagung zur Generationenpolitik am 18. November 2010 in Bern  (dreiteilig)

Von Irene Kobler und Barbara Schiffmann, Master-StudentInnen Universität Luzern

Teil I

Die Tagung der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) zum Thema „Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik“ vom 18. November 2010 folgt auf die Publikation mit dem gleichnamigen Titel, mit der Absicht, das Konzept einer Generationenpolitik zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Dazu wurden verschiedene ReferentInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik eingeladen. Die damalige Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer eröffnete die Tagung durch ein Grusswort und betonte dabei die Wichtigkeit dieser Thematik.

Wandel der Generationenbeziehungen als Herausforderung

Das Ziel der Tagung ist es, neu über Generationenbeziehungen nachzudenken. Prof. Kurt Lüscher, einer der Initiatoren der Tagung, betont, dass es dabei nicht darum geht, ein neues Politikfeld oder eine neue Verwaltungsabteilung zu etablieren. Vielmehr soll ein Thema auf die politische Agenda gebracht werden, welches ungeachtet der politischen Einstellung konsensfähig sein sollte, da jede Person in unserer Gesellschaft von Generationenbeziehungen geprägt ist und solche im Alltag erlebt. Lüscher weist darauf hin, dass die aktuelle Bevölkerung nicht mehr mit einer Bevölkerungspyramide dargestellt werden kann. Generationenbeziehungen sind nicht mehr hierarchisch und selbstverständlich. Der Wandel zu pluralisierten Lebensformen verlangt es, auch Generationenbeziehungen im Politischen neu zu denken. Wir sind viel mehr mit dynamischen und widersprüchlichen Lebensverhältnissen konfrontiert. Sie prägen das heutige Gesellschaftsbild und fordern das in unseren Köpfen verankerte pyramidenförmige Gesellschaftsbild heraus. Im Fokus dieser Herausforderung steht nach Lüscher das Bemühen um eine Generationengerechtigkeit, die dem Wandel in den Generationenbeziehungen Rechnung trägt und die politischen Blockaden zu überwinden vermag.

Die Sicht der Wissenschaftsvertreter

Während der Tagung kamen verschiedene Stimmen zur Sprache, welche unterschiedliche Schwerpunkte in die Diskussion einbrachten. Am Morgen präsentierten VertreterInnen der Wissenschaft aus verschiedenen Disziplinen ihre Ideen, und Forschungsgebiete. Darauf folgten die Beiträge verschiedener Interessengruppen (Denknetz Schweiz, Economiesuisse, Avenir Suisse) und zum Schluss kamen drei nationale Parlamentarier zu Wort.

Prof. Monika Bütler zeigte beispielsweise, wie die aktuelle Transferpolitik dazu führt, dass eine höhere Erwerbsbeteiligung in verschiedenen Familiensituationen kaum zu einer Einkommenserhöhung führt, sodass es sich für Mütter aus Mittelstandsfamilien nicht lohnt, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Dies führt in der Folge zu einer verstärkten Verankerung des traditionellen Familienbildes, in welchem der Mann als Alleinernährer die Familie umsorgt, währenddessen die Frau den Familien- und Hausarbeiten nachkommt. Diese Entwicklung steht in einem Gegensatz zu den Emanzipationsarbeiten und der zunehmenden akademischen Ausbildung der Frauen in der Schweiz und ist eine Folge der geschlechtsbedingten Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt. Um die Situation zu entschärfen plädiert Bütler unter anderem für die Einführung von Tagesschulen, eine “Entrümpelung” der Transferpolitik und die Wiederbelebung der Zeitachse. Dabei geht es darum, von einer Querschnittsperspektive wegzukommen, die Generationenbeziehungen zu einem bestimmten Zeitpunkt anschaut. Die Generationenpolitik soll zu einem langfristigen, nachhaltigen Denken anregen und auch die eigene Generationenzugehörigkeit unter dem Zeitaspekt fokussieren. Das Ziel liegt in der Entfaltung einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

Die Rechtsprofessorin Michelle Cottier betont in ihrem Beitrag die rechtliche Seite der Generationenbeziehung und ihrer zentrale Verankerung im Zivilrecht. Es beinhaltet die Regelungen von Beziehungen bezüglich Recht und Pflicht gegenüber anderen Generationen und Kategorisierungen interpersonaler Beziehungen. Diese sind normativ aufgeladen. So wird im Zivilgesetzbuch zwischen Kinder unterschieden, die in der Ehe geboren sind und solchen aus nichtehelichen Lebensgemeinschaften und ihnen einen unterschiedlichen Status zugewiesen. Angesichts der normativen Pluralisierung und Flexibilisierung der familialen Lebensformen macht Cottier auf die Grenzen des Zivilrechts aufmerksam. Aus der Kritik an den normativen und symbolischen Familienmodellen im Zivilgesetz leitet sie die Forderung ab, die Rechtssetzung im Zivilgesetzbuch an aktuell gelebte Generationenbeziehungen anzupassen. Als Beispiel nennt Cottier die Anerkennung von Mehrelternschaft im Zivilgesetz.

Der Bericht wird in zwei weiteren Teilen fortgesetzt. Hier geht’s zum zweiten Teil.

Zum Teil II

Zum Teil III

 

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