«Generationenmanagement erfordert viel Flexibilität»
Ein Beitrag von Anne-Sophie Keller
Wirtschaft & Arbeit , Partizipation, Integration & Inklusion
21. April 2023
Wie kann Generationenmanagement in der Praxis durchgeführt werden? Viviane Peter vom HR der Stadt Zürich über erfolgreiche Massnahmen, Herausforderungen der Vereinbarkeit und die grosse Chance von Perspektivenwechseln.
“Generationendurchmischte Organisationen sind erfolgreicher.”
Mit diesen Worten beginnt ein YouTube-Video, das die Stadt Zürich vor sechs Jahren auf ihren Kanal hochgeladen hat. Während das Thema Generationenmanagement bei vielen Betrieben noch in den Kinderschuhen steckt oder erst mit dem zunehmenden Fachkräftemangel relevant wurde, hat die Limmatstadt schon zahlreiche Massnahmen umgesetzt. Davon betroffen sind rund 30’000 Mitarbeitende aus vier Generationen, die in den insgesamt 40 Dienstabteilungen wie der Polizei arbeiten.
“Die Berücksichtigung aller Generationen und die Nutzung der Vielfalt des Arbeitsmarkts ist von zentraler Bedeutung”, sagt Viviane Peter, Leiterin Direktionsstab der Stadt Zürich, auf Anfrage. 2014 wurde dort eine neue HR-Strategie lanciert, bei der das Generationenmanagement ein zentrales Handlungsfeld war; 2019 kamen weitere Massnahmen dazu.
Massnahmen für Jung und Alt
Das Generationenmanagement der Stadt Zürich fängt beim Berufseinstieg an. Sie bietet über 1400 Lehrstellen in mehr als 50 Berufen sowie zahlreiche Hochschul- und Einstiegspraktika in diversen Bereichen von Architektur bis zu Informatik oder Soziales an. “Seit anfangs Jahr führen wir ein Programm zur Vernetzung und Weiterbildung aller städtischen Hochschulpraktikant*innen durch. Wir haben bereits einige positive Rückmeldungen dazu erhalten”, stellt Viviane Peter erfreut fest. Zudem fördere man, dass schon jüngere Mitarbeitende bereits von Anfang an Verantwortung übernehmen können.
Für ältere Mitarbeitende gibt es neben Standortbestimmungen die Möglichkeit, sogenannte Bogenkarrieren zu machen, im Rahmen deren sie beispielsweise weniger arbeiten oder Verantwortung abgeben. Ebenso stehen ihnen Möglichkeiten wie Teilpensionierung oder die Gewährung einer Überbrückungsrente bei vorzeitigem Altersrücktritt zur Verfügung. “Ab 2024 ist zudem geplant, dass der Altersrücktritt individueller gestaltet werden kann, etwa durch Altersteilzeit ohne Einbussen bei der Rente oder die Weiterarbeit über das ordentliche Pensionsalter hinaus.”
Bei den Pensionierungen wird zudem Wert darauf gelegt, dass der Wissens -Transfer zwischen den Generationen gelingt. Beispielsweise indem mit der Planung der Nachfolge frühzeitig gestartet wird und entsprechende Einführungsprogramme zum Einsatz kommen.
Voneinander lernen
Neben den vielen stadtweiten Massnahmen im Generationenmanagement haben einzelne Dienstabteilungen darüber hinaus kleinere Pilotversuche durchgeführt. Beim “Reverse Mentoring” halfen jüngere Mitarbeitende zum Beispiel ihren älteren Kolleg*innen, sich schneller in ein IT-Tool einzuarbeiten. Die Massnahme war laut Viviane Peter ein Erfolg: „Dadurch kamen Leute aus unterschiedlichen Teams ins Gespräch, die wohl sonst nicht ins Gespräch gekommen wären.“ Zudem habe es gewissen Mitarbeitenden geholfen, sich an ihre Kolleg*innen zu wenden und sich gegenseitig zu unterstützen. „Solche Massnahmen können kurzfristig sehr effektiv sein, sie erfordern teilweise aber viel Initialaufwand und Koordination, weshalb sie nur bei ganz ausgewählten Fragestellungen zum Zuge kommen“, ergänzt Peter.
Wenn sich die städtischen Mitarbeitenden zur Generationenthematik weiterbilden möchten, können sie dies im Rahmen von Weiterbildungen machen: „Dort lernen Führungskräfte Ansätze, wie man altersdurchmischte Teams führen kann, und Angestellte, wie man in altersdurchmischten Teams arbeitet.“ Themen der Weiterbildungen sind zum Beispiel Charakteristiken der verschiedenen Generationen, dynamische Phänomene in Teams oder Dialogmöglichkeiten zwischen den Altersgruppen. Gemäss Feedbacks der Teilnehmenden helfen diese Veranstaltungen, im Berufsalltag die Bedürfnisse verschiedener Altersgruppen besser zu verstehen und damit umzugehen.
So flexibel wie möglich
Obschon altersdurchmischte Teams sehr gefördert werden, sind sie in der Realität nicht immer möglich. Was bei der Stadt Zürich stark im Fokus steht, sind die verschiedenen Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Fast die Hälfte der städtischen Mitarbeitenden arbeitet Teilzeit; mobiles Arbeiten ist stark verbreitet. Zudem gibt es Regelungen bezüglich Jobsharing, was auch in Kaderstellen möglich ist. „In der Führung altersgemischter Teams können verschiedenste Ansprüche von Mitarbeitenden bezüglich Vereinbarkeit auch herausfordernd sein.“ Es sei gleichzeitig aber auch bereichernd und spannend.
Generationenmanagement: Eine Mini-Serie
Was ist Generationenmanagement überhaupt? Wie nützt das Unternehmen und was für Vorteile bringt es den Arbeitnehmenden? In einer dreiteiligen Mini-Serie widmen wir uns im Blog dem Generationenmanagement. Im ersten Teil haben wir die wichtigsten Grundlagen beleuchtet. Der zweite Teil zeigte auf, wie Generationenmanagement gelingen kann und was es zu beachten gibt.
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