Gesundheitliche Bewegungsförderung für Generationenkontakte nutzen?
7. März 2019
Bewegung spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit aller Menschen. Ein bewegungsfreundliches Umfeld wie die Schaffung von attraktiven Velowegen, Grünflächen, Spielplätzen soll alle dazu anregen, sich vermehrt zu bewegen. Gerade für Kinder, Jugendliche und alte Menschen ist dies besonders wichtig, da sie sich heute oft zu wenig bewegen und dies auch zu einem erhöhten Sturzrisiko und geringerer Fitness führt.
Foto: Olivier Monnet. Der Jörinpark in Pratteln (BL) ist auch als Bewegungspark konzipiert.
Gleichzeitig sind diese öffentlich zugänglichen Orte und Räume auch für die Förderung des sozialen Austausches und der Begegnung der Generationen wichtig. Ausgehend von ihrer Studie zur derzeitigen Projektelandschaft, die sie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) erstellten, befassen sich die beiden Autoren Hanspeter Stamm und Adrian Fischer (Lamprecht und Stamm Sozialforschung und Beratung AG, Zürich) im Interview mit zukunftsträchtigen Schnittstellen zu generationenverbindenden Zielen.
Das Interview zur intergenerativen Bewegungsförderung
Kinder und alte Menschen sind die beiden Zielgruppen, die von den Projekten, die ein bewegungsfreundlichen Umfeld erreichen wollen, am häufigsten genannt werden. Warum ist das so?
Ein wichtiger Grund ist bestimmt, dass Kinder und alte Menschen weniger weiträumig mobil sind als andere Personen und sich ein grosser Teil ihres Alltags daher im näheren (Wohn)umfeld abspielt. Dazu kommt, dass Kinder und alte Menschen – wenn auch teilweise aus anderen Gründen – als vulnerabel gelten. Kindern mangelt es an Gefahrenbewusstsein und Risikokompetenz, so dass spezifische Sicherheitsansprüche an einen bewegungsfreundlichen Aussenraum gestellt werden müssen. Sicherheit ist auch ein wichtiges Thema bei alten Menschen – nur geht es hier neben sicheren Fusswegen auch um Dinge wie Handläufe an Treppen und barrierefreie Zugänge.
Was könnten die Gründe dafür sein, dass es trotzdem kaum Projekte gibt, die die Bewegungsförderung mit der Förderung der generationenverbindenden Begegnung verknüpfen? Obwohl doch diese beiden Altersgruppen übereinstimmende Bedürfnisse (Sicherheit, Nutzbarkeit des unmittelbaren Wohnumfelds) und ähnliche Eigenschaften (Gesundheitsziele wie verbesserte Motorik (Sturzprophylaxe)) aufweisen?
Man muss da vielleicht ein bisschen differenzieren: Verschiedene Anstrengungen für ein bewegungsfreundliches Umfeld – sei es die Gestaltung attraktiver und sicherer Fuss- und Velowege oder die Einrichtung von Begegnungszonen und Parks – kommen zweifellos sowohl Kindern als auch alten Menschen zugute. Doch gibt es eben doch auch grössere Unterschiede in den Bewegungsbedürfnissen und -möglichkeiten. Kinder sind in der Regel beweglicher und abenteuerlustiger – sie klettern, tollen herum, springen, rennen, und machen sich dabei wenig Sorgen über Verletzungen, wenn sie einmal stürzen sollten. Bei älteren Menschen dominieren dagegen gemessene und langsamere Bewegungsabläufe und die Vermeidung von abrupten Bewegung oder gar Stürzen. Hier geht es in vielen Fällen weniger um das Erlernen neuer Bewegungsformen als vielmehr um die Aufrechterhaltung von Bewegungsaktivitäten trotz nachlassender Kräfte, chronischer Schmerzen und eines schlechteren Gleichgewichtsgefühls.
Wenn man diese beiden “Bewegungsprofile” vergleicht, bleiben am Schluss nur noch wenige wirklich gemeinsam nutzbare Bewegungsformen wie etwa Tanzen, Velofahren, gewisse Formen der Gymnastik wie etwa Qi Gong oder Tai Chi (die für Kinder aber möglicherweise schnell langweilig werden) oder angepasste Formen des Spiels. Oder aber man leistet viel konzeptionelle Arbeit, wie dies etwa beim an dieser Stelle bereits einmal portraitierten Hopp-la-Park der Fall war. Erst seit jüngerer Zeit werden Ansätze diskutiert und umgesetzt, welche neben dem Aspekt der “Bewegung” gleichzeitig auch denjenigen der “Begegnung” thematisieren. Ein beträchtlicher Teil des Alltags von Kindern und älteren Menschen findet in unterschiedlichen, organisierten “Settings” statt, die als getrennte “Welten” (Kindergarten, Schulen, Altersheime etc.) konzipiert und baulich realisiert wurden. Eine wechselseitige Öffnung solcher Settings wird erst in jüngerer Zeit ausprobiert.
Wie schätzen Sie die (zukünftige) Bedeutung des Miteinanders statt des Nebeneinanders bei der Bewegungsförderung ein?
Aufgrund der zunehmenden baulichen Verdichtung insbesondere im städtischen Umfeld wird sich die Frage in Zukunft wohl immer mehr stellen, wie unterschiedliche Gruppen dieselben Räume gemeinsam nutzen können. Ob es hier allerdings tatsächlich in Richtung eines Miteinanders statt eines zeitlich und räumlich getrennten Nebeneinanders geht, ist angesichts der doch recht unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden “Extremgruppen” Kinder und alte Menschen sowie weiterer Gruppen fraglich. Tatsächlich ist in der Planung neben dem “Miteinander” immer auch die “Entflechtung” von Nutzungen und Nutzergruppen ein Thema.
Welche Empfehlungen lassen sich im Hinblick auf das Miteinander dieser beiden Altersgruppen aus der Studie ableiten?
Es gibt wohl zwei wichtige Befunde: Erstens muss das (Wohn-)Umfeld so gestaltet werden, dass sich Kinder und alte Menschen tatsächlich aus der Wohnung trauen. Das heisst: Sichere und attraktive Bewegungsräume sind eine notwendige Bedingung dafür, dass die Eltern ihre Kinder überhaupt rauslassen und sich alte Menschen im Aussenraum wohlfühlen. Ist diese Grundbedingung erfüllt, müssen die Räume zweitens so gestaltet werden, dass Begegnung auch tatsächlich möglich ist: Es müssen also beispielsweise attraktive und bequeme Ruhemöglichkeiten bei den Spielplätzen geschaffen werden. Hier existiert aber noch einiges an Potential, indem ältere Personen nicht einfach auf die Zuschauerplätze verbannt werden, sondern Möglichkeiten zum Mitwirken geschaffen werden.
Begegnung ist aber auch ausserhalb der Spielplätze möglich. Hier sind die Möglichkeiten fast unbegrenzt. So gibt es unter den älteren Menschen beispielsweise viele, die auf eine lange Sportkarriere zurückblicken und absolut nichts dagegen hätten, ihre Erfahrungen als passionierte Turnerinnen, Velofahrerinnen, Fussballer oder Boule-Spieler an Kinder weiterzugeben. Dies allerdings setzt neben passenden Bewegungsräumen auch vertrauensbildende Massnahmen voraus: Viele Eltern wollen ihre Kinder nicht irgendwelchen Pensionären anvertrauen, sondern möchten sicher sein, dass die Kinder dann auch in guten Händen sind. Unsere Projektübersicht zeigt hier, dass Initiativen auf Quartierebene, in denen verschiedene Gruppen sich zu gemeinsamen Projekten zusammenfinden, sehr vielversprechend sind.
Ein Blogbeitrag von Monika Blau, Intergeneration
Was halten Sie von dem Potenzial, Bewegungsförderung und Begegnung der Generationen in Projekten zu verknüpfen?
Sind Ihnen weitere gelungene (und auch weniger gelungene) Beispiele bekannt, die Generationenbeziehungen und Bewegung von Jung und Alt im öffentlichen Räumen fördern?
Links:
- Studie Bewegungsfreundliches Umfeld, Bundesamt für Gesundheit (BAG)
- Hopp-la-Stiftung
- Bewegung bei älteren Menschen (Gesundheitsförderung Schweiz)
- Bewegung bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter (Gesundheitsförderung Schweiz)
- Bewegung bei Schulkindern und Jugendlichen (Gesundheitsförderung Schweiz)
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Guten Tag
Ich sehe das genau so, dass es sehr an Bewegung fehlt bei Kindern wie bei Älteren jedoch bei den anderen auch. Ich arbeite seit über 35 Jahren mit Bewegung und natürlich insbesondere körperbewusst. Dies wird jedoch nicht gefördert weder in den Schulen öffentlich etc. Ich arbeitete in Altersheimen mit Suchtleuten und mit Kindern in der Tagesschule. Kein können und wissen ist jedoch nicht erwünscht. Ich wäre sofort bereit für eine Zusammenarbeit!!!
Ohne Körperbewusstsein ändert sich soviel wie nichts und genau dort müsste man ansetzen.
Der Atem ist der Schlüssel- und Start-Satz. Es gibt sogar eine Studie darüber! Meine älteste tn ist 88 und was damit bei ihr passiert, grenzt schon fast an Wunder!
Nur Statistiken und schreiben darüber nützt niemandem etwas, sondern nur handeln und Taten! Also fördert!!!
Caroline Siegenthaler
flowingart.ch
Als Bewegungsmensch und als in vielfältiger Form tätige Frau mit älteren Menschen befürworte ich solche Projekte total. Das wäre auf jeden Fall eine Win-win-Situation, für den sich auch ein erheblicher Aufwand lohnt. Ich könnte mir vorstellen, in der Gemeinde oder in der Region mitzumachen. :-))