Wie können Seniorinnen und Senioren für Freiwilligenarbeit gewonnen werden?
Wissenschaft & Generationenforschung , Partizipation, Integration & Inklusion , Gemeinnütziges Engagement
12. Juni 2014
Das Integrationsprojekt „mitten unter uns“ will vermehrt die Zielgruppe der Senioren als Freiwillige gewinnen und dieses riesige Potential nutzen. Lesen Sie die Empfehlungen und Erkenntnisse.
Foto: SRK
Freiwilliges Engagement: Wie können Senioren im Integrationsprojekt «mitten unter uns» besser eingebunden werden?
Die Projektverantwortliche Ursina Mayor fasst für Intergeneration zusammen, wie Senioren für intergenerationelle Projekte gewonnen werden können: Das Integrationsangebot mitten unter uns des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) Kanton Zürich bringt fremdsprachige Kinder und Jugendliche für zwei bis drei Stunden pro Woche mit deutschsprachigen Freiwilligen zusammen. Vorrangiges Ziel dieser Treffen ist die ausserschulische Sprachförderung in einem vertrauten Setting. Aber auch die Begegnung mit anderen Generationen (ausserhalb der Familien) soll dabei gefördert werden.
Viele Familien und Berufstätige geben an, zu ausgelastet für ein Freiwilligenengagement zu sein. Das SRK Kanton Zürich hat sich mit dem Projekt „Einbinden von mehr Seniorinnen und Senioren im „mitten unter uns“ daher zum Ziel gesetzt, vermehrt die Zielgruppe der Senioren als Freiwillige zu gewinnen.
Eine Projektgruppe hat diverse Massnahmen erarbeitet. Das Augenmerk lag auf den spezifischen Bedürfnissen der Seniorinnen und Senioren in der Freiwilligenarbeit. Damit sie für ein Engagement gewonnen werden können und langfristig motiviert bleiben, gelten grundlegende und allgemeingültige ‚Regeln der Freiwilligenarbeit’ (wie z.B. passender zeitlicher Rahmen, spannender Inhalt, Wertschätzung, Mitgestaltung und Bildung/Begleitung). Gleichwohl konnten einige wenige spezielle Spezifika dingfest gemacht werden:
- Rekrutierung: Der ideale Zeitpunkt, Personen des dritten Alters für Freiwilligenarbeit zu motivieren, liegt rund zwei Jahre nach der Pensionierung. Frisch Pensionierte möchten in der Regel anfänglich die neu gewonnene Freiheit auskosten. Oft entsteht dann im Verlauf der ersten zwei Jahre der Wunsch, wieder eine sinnstiftende Aufgabe anzunehmen.
- Marketing und Kommunikation: In der Werbung sollte inhaltlich darauf verzichtet werden, die Personen einzig in ihrer Funktion als Seniorinnen und Senioren anzusprechen. Motivierend muss die Aufgabe an sich sein. Bei der Streuung der Angebote hingegen sollte auf einschlägige, das heisst von Seniorinnen und Senioren genutzte Kanäle geachtet werden.
- Vertrauen in Seniorität: Die Zusammenarbeit mit Seniorinnen und Senioren in einem Angebot wie ‚mitten unter uns’ birgt ein riesiges Potential, da viele Kinder mit Migrationshintergrund wie auch deren Eltern ein grosses Vertrauen in ältere Menschen haben. Für gewisse Kinder und Jugendliche können ältere Freiwillige, bedingt durch die geografische Distanz zu den eigenen Verwandten, die Rolle eines Grosseltern-Ersatzes einnehmen.
- Kommunikation und Auftragsklärung: Es entspricht einem starken Bedürfnis, dass die ‚terms of condition‘– gemeint sind Rolle, Erwartungen, Anfang und Ende des Einsatzes, Spesenreglement etc. besonders klar erläutert werden und die Diskussion darüber genügend Raum erhält.
- Soziale Identität: Viele Personen, die berufstätig gewesen sind, wünschen sich nach der Pensionierung eine neue Rolle und die Einbindung in etwas ‚Grösseres’ und Sinnstiftendes. Meist wird es geschätzt, wenn die Freiwilligentätigkeit im Kollektiv und ausserhalb des eigenen privaten Raums stattfindet.
- Hohe Hemmschwelle: Viele Seniorinnen und Senioren fühlen sich bei der Aufnahme einer neuen Tätigkeit unsicher. In Bezug auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen trifft dies in besonderem Masse zu: «Bin ich der Aufgabe und den Ansprüchen des Gastkindes gewachsen?», sind Fragen, die gestellt werden. Hier bietet sich eine solide Einführung speziell nur für Seniorinnen und Senioren an, beispielsweise durch einen neu konzipierten Grundkurs.
- Einsatzmöglichkeit: Seniorinnen und Senioren haben ein sehr grosses Bedürfnis zu ‚schnuppern‘, ehe sie sich ‚für’ oder ‚gegen’ ein Engagement entscheiden. Solche Schnuppermöglichkeiten müssen angeboten werden können.
Finden Sie diese Empfehlungen geeignet? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Weiterführende Informationen
- intergeneration.ch/mitten-unter-uns
- http://www.redcross.ch
- Schweizerisches Rotes Kreuz (Hrsg.), Freiwilligkeit und Vielfalt im Zeichen der Menschlichkeit. Reihe “Gesundheit und Integration – Beiträge aus Theorie und Praxis”. Zürich 2014, Seismo Verlag. Zu bestellen unter: http://www.redcross.ch/de/publikationen
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