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Digitalisierung und Generationendialog – Chancen und Herausforderungen

Digitale Kommunikation führt zu einem Generationengraben. Doch der digitale Wandel bringt auch zahlreiche Möglichkeiten, über die Altersstufen hinweg Brücken zu bilden.

Generationendialog

Aus dem Projekt Foto-Generationen-Dialog

Die Boomer auf Facebook, die Millennials auf Instagram und die Gen Z auf TikTok: dass dies mehr als nur ein Klischee ist, hat jüngst die Zürcher Digitalagentur Xeit belegt. Sie hat das Social-Media-Nutzungsverhalten von gut 1000 Personen aus der Schweiz analysiert. Tatsächlich sind die Generationen auch im digitalen Bereich an unterschiedlichen Orten unterwegs: 38 Prozent der Generation Babyboomer nutzen Facebook, während nur ein Prozent der Generation Z dort vertreten ist. Diese Generation nutzt am häufigsten Instagram mit 38 Prozent, TikTok mit 28 Prozent und Snapchat mit 8 Prozent. Nur auf YouTube treffen sich die Generationen fast gleichermassen.

Wie die Digitalisierung spaltet

Welche Auswirkungen haben diese digitalen Generationen-Bubbles auf den Dialog zwischen den Altersstufen? Prof. Dr. Marc K. Peter (50) leitet das Kompetenzzentrum für Digitale Transformation an der FHNW-Hochschule für Wirtschaft in Olten. Die digitale Transformation bezeichnet er als die vierte industrielle Revolution: “Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sind wir abhängig von IT und Strom. Das führte zu einer fundamentalen Veränderung unserer Gesellschaft, Werte und Kommunikation.”

So sei man durch die neuen Medien nicht mit einem Medium direkt vernetzt, sondern mit den anderen Usern, die meistens aus der Peer-Gruppe stammen. “Natürlich haben die Generationen früher auch unterschiedliche Titel konsumiert, aber es war immerhin die gleiche Art von Medien. Man hat sich also trotzdem untereinander ausgetauscht.” Heute unterscheiden sich die verschiedenen Medienformate schon nur von der Nutzung her: “Für die Gen Z sind Soziale Medien ein Hauptkanal, um Informationen zu erhalten – für ältere Generationen sind sie jedoch ein Zusatzkanal.” Dadurch finden weniger Diskurse zwischen den Generationen statt.

Zudem lässt die Digitalisierung ganze Altersgruppen zurück. “Viele Firmen geben nur noch auf einem digitalen Kanal Auskunft und auf einigen Webseiten findet sich nicht einmal mehr eine Telefonnummer. Bei der Post kann man heutzutage an gewissen Orten ohne App gar keine Päckli mehr abholen.” Die Pandemie habe diese Entwicklung befeuert.

Eine Balance finden

Marc Peter fordert sogenannte “analoge Ausweichszenarien”, um wieder eine Balance herzustellen. “Solange nicht alle einen Zugang zu technologischen Mitteln haben, haben sie auch keinen Zugang zu anderen Lebensrealitäten”, so der Digital-Experte. Er bedauert, dass diesem Problem nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird: “Würde die Schweiz so viel Geld in die IT-Aufklärung und IT-Sicherheit investieren wie in die Covid-Kampagne, wären diese Lücken längst geschlossen.”

Die Verantwortung fange bei den Verwaltungen an: ”Kantone bringen Kindern Velofahren bei und finanzieren Kampagnen zum Schutz vor Einbrechern. Es braucht das digitale Äquivalent: technische Bildung sowie eine fundierte Aufklärung über die Risiken im Internet”. Auch grosse Firmen sieht Marc Peter in der Pflicht, da sie ebenfalls eine gesellschaftliche Verantwortung tragen. Hierzu liefert er einige vorbildliche Beispiele: “Die Raiffeisen bietet Computersupport an und bei der Swisscom kann man für 50 Franken sein Handy einrichten lassen.”

Und wenn man keinen Computer zuhause hat? “Als das Internet aufkam, gab es PCs in Bibliotheken. Das könnte man heute auf Poststellen, bei Gemeinden oder in Kirchen anbieten – die gibt es ja in jedem Dorf.”

Digitale Brücken bilden

Auch innerhalb der Gesellschaft gibt es Bestrebungen, die digitalen Lücken zwischen den Generationen zu schliessen. Beim Generationenprojekt Compi-Sternli bringen Schulkinder Senior*innen bei, wie man im Internet surft; das Handy-Café bietet ein ähnliches Angebot. In vielen Teams helfen jüngere Angestellte unter dem Deckmantel Reverse Mentoring ihren älteren Gspändli, indem sie ihnen beispielsweise neue Programme erklären.

Doch hier zeigt sich oft, dass Jüngere nicht unbedingt technikaffiner sind als Ältere: “Sie sind in der Anwendung besser, aber das effektive Technologieverständnis ist nicht vorhanden”, konkretisiert Marc Peter. Die Digital Immigrants, also Menschen, die digitale Medien erst im späteren Leben kennenlernten, wissen im Vergleich zu den Digital Natives oft mehr über die IT-Infrastruktur: Sie können häufiger einen Router anschliessen oder eine neue Grafikkarte einbauen.

Das hängt mit der Veränderung der Technologien zusammen: “Früher waren IT-Produkte ein Hilfsmittel; heute sind sie Konsumentenprodukte”, so Peter. Auch darum gibt es so viele Probleme mit der Datensicherheit. “Man überlegt nicht mehr, welche Sicherheitsrisiken hinter einer Technologie stecken. Früher hat man bei einem Auto ab und zu den Reifendruck geprüft – ähnlich hat man das früher mit der IT gemacht. Zum Beispiel wenn man Betriebssysteme installiert hat.”

Die Lücke schliesst sich

Dass die Anwendung der Technologien immer einfacher wird, führt jedoch zu einer erfreulichen Entwicklung: Der digitale Generationengraben schliesst sich zunehmend. Der Anteil der Online-Senioren hat sich seit 2010 mehr als verdoppelt, wie Pro Senectute feststellt. Und auch wenn die Über-Digitalisierung der Pandemie einige zurückliess, war sie massgeblich daran beteiligt, dass die Menschen über die Altersstufen vernetzt blieben: Ohne digitale Kommunikation wäre der Kontakt zur Risikogruppe 65+ schwieriger gewesen.

Und immerhin etwas haben alle Generationen gemeinsam: Laut der zu Beginn zitierten Studie wünscht sich eine zunehmende Zahl der Befragten ab und an eine digitale Auszeit.

Prof. Dr. Marc K. Peter (50) leitet das Kompetenzzentrum für Digitale Transformation an der FHNW Hochschule für Wirtschaft in Olten.

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