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Generationenmanagement: «Die Unternehmenskultur ist bei allen Diversity-Themen entscheidend»

Ein Beitrag von Anne-Sophie Keller

Wirtschaft & Arbeit , Partizipation, Integration & Inklusion

7. Februar 2023

Generationenmanagement wird für viele Firmen unverzichtbar. Prof. Dr. Anina Hille erklärt im Interview, wie man Unternehmen und Arbeitnehmende dafür begeistern kann und was es braucht, damit die Massnahmen gelingen.

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Worum geht es beim Generationenmanagement?

Es geht darum, wie Unternehmen optimale Arbeitsbedingungen für verschiedene Generationen schaffen können. Bei unserer Arbeit reden wir von integrativem Generationenmanagement, wobei es um Wissenstransfer und die Zusammenarbeit geht.

 

Was gibt es sonst noch ausser Wissenstransfer? Können Sie Beispiele nennen?

Es geht auch um den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit und die Frage, wer dazu welche Rolle trägt. Oder um Themen wie Arbeit im Rentenalter: Welche Modelle können Arbeitgeber anbieten, um ältere Personen länger im Unternehmen zu halten? Wie können Rentner:innen allenfalls wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden? Nicht zuletzt geht es auch um Werte und Einstellungen verschiedener Generationen, wo diese über die Altersklassen hinweg übereinstimmen und wo sie divergieren.

 

Was steht dabei im Fokus?

Es ist wichtig, Vorurteile gegenüber einzelnen Altersgruppen zu entschärfen und beide Stärken wertzuschätzen. Man sagt, die Jungen sind lernfähiger und innovativer als die Älteren, wogegen diese breiteren Netzwerke geknüpft haben und in schwierigen Situationen resilienter sind. Das bedingt ein offenes Mindset aller Beteiligten.

 

Bedienen Sie sich nicht gerade selbst dieser Vorurteile? Viele wehren sich ja vehement dagegen.

Wir fanden in unserer Studie heraus, dass diese Vorurteile über alle Altersklassen hinweg verbreitet vorhanden sind – bei Arbeitgebenden wie auch Arbeitnehmenden. Aber wir haben auch gesehen, dass die Offenheit, diese zu überwinden, ebenfalls beidseitig vorhanden ist.

 

Generation Z am Arbeitsmarkt

Stereotypen und Vorurteile über die unterschiedlichen Generationen auf dem Arbeitsmarkt existieren viele, so auch über die Gen Z. Ein Artikel der Volkswirtschaft zeigt anhand der Studie Generation Zukunft, dass obwohl Stereotypen über die Gen Z am Arbeitsmarkt zahlreich sind, sie gewissermassen den Schlüssel zur Zukunft darstellen. Wie die Generation Z denkt und agiert, formt nicht nur das Morgen der Arbeitswelt, sondern auch von Konsum und gesellschaftlichem Engagement. Hier zum Artikel.

 

Seit wann beschäftigt sich die Wirtschaft mit Generationanmanagement?

Anja Mücke und Martina Zölch bearbeiten das Thema des demografiegerechten Personalmanagements aus wissenschaftlicher Perspektive seit rund 20 Jahren und haben spannende Bücher mit Best Practice Beispielen dazu publiziert. Jedoch hat erst der ausgeprägte Arbeitskräftemangel dazu geführt, dass sich Unternehmen in der Praxis vermehrt mit Generationenfragen auseinandersetzen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Vorher war dies ein reines HR-Thema.

Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Vorteil für Unternehmen?

Das Image von Arbeitgebern wird zunehmend wichtig, da wir uns in einem Arbeitnehmendenmarkt befinden. Wenn man gute Teams will, muss man als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Da schafft dieses Prädikat klare Wettbewerbsvorteile.

 

Wie erreichen Sie die jeweiligen Unternehmen?

Wir erheben aktuell wieder Daten für den neuen Generationenbarometer. Anhand der Online-Umfrage können Firmen herausfinden, wo sie in Themen wie Zusammenarbeit oder Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit stehen. Zudem erhalten sie auf ihre Unternehmung zugeschnittene Handlungsempfehlungen zum Thema Generationenmanagement. Viele haben diesen Mehrwert schon erkannt. Andere gehen wir aktiv an.

 

Haben Sie ein Beispiel einer solchen Handlungsempfehlung?

Wenn es um den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit geht, sollten Arbeitgeber nicht nur für ältere Arbeitnehmende Standortgespräche anbieten, sondern regelmässig für alle. So werden diese Gespräche vermehrt als Chance wahrgenommen und haben nicht den bitteren Beigeschmack einer „Alters-Guillotine“.

 

Wie können kleinere Unternehmen mit wenig Ressourcen Generationenmanagement machen?

Schon nur die Altersstruktur zu kennen, ist wichtig. So sieht man, wer wann pensioniert wird und welches Wissen man da verlieren wird. Das wäre wenig Zeitaufwand, der sich bereits lohnt. Danach kann man Tandems bilden, in denen man ältere Menschen mit Jungen zusammenbringt. Bei mittelgrossen Unternehmen gibt es die Idee der Lunch-Lotterie, bei der man ein Los zieht und mit einer beliebigen Person Mittagessen geht. Diese Treffen sind oft schon sehr inspirierend – und im Gegensatz zu grossen Mentoring-Programmen einfach umsetzbar.

 

Was bringen diese Tandems konkret? Haben Sie Praxisbeispiele?

Sie bringen ein besseres Verständnis für einander, eine offenere Kultur und auch ein besseres Arbeitsklima. Also im Prinzip die Grundlagen für eine gute Zusammenarbeit.

 

Was bringt Generationenmanagement den Arbeitnehmenden?

Es stärkt und erhält die Arbeitsmarktfähigkeit aller Involvierten. Schulungen, Mentorings oder Tandem-Programme ermöglichen ein lebenslanges Lernen. Man kann mit diesen Massnahmen auch viel informelles Wissen aufbauen, was ebenso wichtig ist wie Fachwissen.

 

Fürchten ältere Arbeitnehmende beim Wissenstransfer nicht, redundant zu werden?

Die Älteren waren in unserer Studie sogar noch offener zur Zusammenarbeit mit Andersaltrigen als die Jungen. Das widerspricht also dieser Annahme. Ältere Arbeitnehmende sehen auch eine Chance darin, dass ihr Wissen und ihre Expertise wertgeschätzt werden.

 

Was motiviert ältere Arbeitnehmende zusätzlich?

Wir wissen, dass Themen wie berufliche Altersvorsorge, Arbeitsplatzsicherheit oder ein verständnisvoller Umgang zwischen Generationen insbesondere für ältere Arbeitnehmende wichtig sind.

 

Wann gelingt Generationenmanagement?

Die Unternehmenskultur ist bei allen Diversity-Themen matchentscheidend. Gibt es eine Kultur der Offenheit? Das Schwierige an dieser Frage ist die Tatsache, dass man diese über eine längere Zeit mit verschiedenen Bemühungen nachhaltig aufbauen muss. Zum Beispiel muss auch das Management hinter den Massnahmen stehen und entsprechende Strukturen schaffen – die Thematik darf nicht nur an eine HR-Stelle delegiert werden. Ausserdem müssen die Massnahmen längerfristig geplant werden.

 

Wo liegen die Stolpersteine?

Es gibt immer Reibung, wenn Leute aus verschiedenen Hintergründen mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammenkommen. Im Bereich dieser Reibung entsteht jedoch auch Innovation. Zentral ist also die Frage, wie mit diesen Reibungen umgegangen wird. Herrscht eine offene Kommunikationskultur? Wie wird mit Kritik und Konflikten umgegangen?

 

Sie haben ein neues Seminar mit dem Titel «Generationenmanagement Werkstatt» lanciert. Was lernt man dort? Für wen ist es konzipiert?

Wir richten uns mit diesem Angebot an Arbeitgeber, die Generationenmanagement anwenden wollen. Sie lernen dort die neuesten Erkenntnisse zum Thema, welche Werte für welche Generationen zentral sind und wie man die verschiedenen Generationen auf dem Arbeitsmarkt erreicht und deren Zusammenarbeit und Wissenstransfer erhöht. Wenn Menschen optimal zusammenarbeiten, stärkt das nicht nur Teams und die Arbeitsmarktfähigkeit der Beteiligten, sondern letztendlich auch die gesamte Schweizer Wirtschaft.

Mehr zum Thema gibt es im Leitfaden „Generationenmanagement leicht gemacht!“

Generationenmanagement: Eine Mini-Serie

Was ist Generationenmanagement überhaupt? Wie nützt das Unternehmen und was für Vorteile bringt es den Arbeitnehmenden? In einer dreiteiligen Mini-Serie widmen wir uns im Blog dem Generationenmanagement. Im ersten Teil haben wir die wichtigsten Grundlagen beleuchtet. Der letzte Beitrag hat sich dem Thema vertieft angenommen und ein Best-Practice-Beispiel aufgezeigt, in welchem Generationenmanagement erfolgreich umgesetzt wurde.

Anina Cristina Hille

Prof. Dr. Anina Cristina Hille (46) ist Wirtschaftsdozentin an der HSLU und Projektleiterin des Generationenbarometers. Dieses zeigt, wie Schweizer Arbeitgeber die Generationenvielfalt nutzen und mittels Generationenmanagement dem demographischen Wandel und dem Fachkräftemangel begegnen.

1 Kommentar

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    Die Generation Z sorgt auf dem Arbeitsmarkt für manches Kopfzerbrechen. SRF hat sich in einem Beitrag der Thematik Gen Z und Arbeitsmarkt gewidmet. Zusammen mit arbeitstätigen Gen Z zeigen sie auf, wie die Generation auf dem Arbeitsmarkt funktioniert, was für Holpersteine und Chancen bestehen. Der Beitrag macht unter anderem darauf aufmerksam, was Unternehmen und andere Generationen von ihnen lernen können!

    Ein lesenswerter Beitrag, der zum Nachdenken anregt! Link zum SRF-Beitrag: https://www.srf.ch/wissen/mensch/die-missverstandene-generation-darum-bewegt-sich-gen-z-auf-dem-arbeitsmarkt-wie-auf-tinder

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