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Migrationshintergrund in Generationenprojekten

Junge mit Migrationshintergrund treffen auf Schweizer Senioren: Verschiedene Kulturen als Herausforderung in Generationenprojekten.

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Foto: ETH Zürich-Sprachzentrum

Wer sich hierzulande im öffentlichen Raum nach Senioren umsieht, kommt unweigerlich zum statistisch korrekten Schluss: Frauen und Männer im Pensionsalter oder darüber sind in der Regel Einheimische. In Projekten, die verschiedene Generationen miteinander verbinden, ist der Anteil Kinder und Jugendlicher mit Migrationshintergrund im Vergleich zur ältesten Generation folglich hoch. Neben der trennenden Perspektive der jeweiligen Generation kommen somit auch kulturelle Differenzen hinzu. Führen diese zu besonderen Herausforderungen oder gar Schwierigkeiten? „Eine sorgfältige Vorabklärung aller Beteiligten ist sehr wichtig, um keine Enttäuschungen zu erleben“, sagt Maria Teresa Ossola von Caritas Bern. Als Verantwortliche
von «mit mir»-Patenschaften, rekrutiert Ossola freiwillige Paten für 4 bis 12- jährige Kinder, deren Familiensituation schwierig ist. Von den aktuell 36 Kindern haben rund drei Viertel Migrationshintergrund. Im vergangenen Jahr waren 40 von 49 aktiven Paten Frauen. Rund die Hälfte aller Freiwilligen war über 50, arbeitete teilzeitlich oder war pensioniert.

Offenheit als unerlässliche Basis für alle Generationenprojekte  

Fremdenfeindlichkeit hat Ossola in den vergangenen 14 Jahren nicht erlebt, die Freiwilligen seien grundsätzlich offen: „Bevor ich die involvierten Personen miteinander bekannt mache, schildere ich ihnen anonymisiert deren Situation. Wir alle haben Erfahrungen, Ängste und Bilder. Wenn eine Freiwillige sagt: ‚Ein Kind aus dieser oder jener Region möchte ich lieber nicht betreuen’, ist das legitim. Manche erklären vorab, sie möchten ein Kind aus einer Schweizer Familie begleiten. Auch die andere Seite darf Wünsche anbringen. So wünschen sich beispielsweise Eltern aus Tibet eine lebenserfahrene Patin, die dem Kind Werte und Wissen mitgeben soll. Auch eine Familie aus Eritrea wünschte sich eine ältere Patin, weil sie befürchte, eine junge würde rauchen, Alkohol trinken und Parties im Kopf haben.“

Statt der Migrationshintergrund kann auch die Altersdifferenz Ursache für Missverständnisse sein

Auch im Mentoringprogramm Munterwegs unterstützen Senioren Kinder mit Migrationshintergrund oder in schwierigen Familienverhältnissen. „Alles kann anders sein“ – das sei die zentrale Erfahrung der Freiwilligen, sagt Projektleiterin Miriam Hess. „Wie begleite ich in solchen mir fremden Umständen?“, die Frage löse mitunter auch Ohnmachtsgefühle aus. Irritiert sei auch die andere Seite: Sowohl für die Eltern als auch für die Kinder und Jugendlichen sei es nicht einfach, auf Unterstützung angewiesen zu sein. Mühe mache manchmal auch die Kommunikation, und zwar nicht wegen dem Umgang mit digitalen Medien, sondern weil alte Menschen oft der Meinung seien, die Jungen müssten initiativer werden, sagt Hess. „Die ältere Generation muss lernen, die Passivität als Unsicherheit zu lesen und nicht als fehlenden Respekt oder Desinteresse“.“

Gegenseitiger Respekt als sensibler Prüfstein für Generationenprojekte «mit Migrationshintergrund»

Das Thema Respekt kam auch immer wieder im Projekt „Brücke der Erfahrungen“ zur Sprache, einem Projekt, bei dem sich Jugendliche und Seniorinnen einer Gemeinde oder Region über ihre Erlebnisse mit Menschen aus einer anderen Generation, Kultur oder Religion austauschen. „Oft fühlen sich die jungen Teilnehmer von alten Menschen nicht ernst genommen, nicht als gleichwertig behandelt“, erzählt Andi Geu, der das Projekt für das in Thalwil domizilierte National Coalition Building Institute (NCBI) leitet. Die Senioren wiederum würden bei den Jungen oft Form und Höflichkeit vermissen, oder sie fühlen sich von jungen Leuten nicht wahrgenommen. „Im Gespräch miteinander werden dann neue Erfahrungen gemacht, im Sinne von: Ah, es gibt ja freundliche Junge, die nicht nur auf ihr Handy schauen. Oder: Nicht alle Alten sind rassistisch.“ Denn ja, die Jugendlichen, die sich an dem Projekt beteiligt haben, seien oft der Meinung gewesen, die alte Generation sei fremdenfeindlich. Drei Viertel dieser Jungen stammt selber aus Familien mit Migrationshintergrund. Geu geht davon aus, dass die älteren Vertreter innerhalb des Projekts überdurchschnittlich offen seien. Dennoch seien auch sie oft verunsichert, empfänden insbesondere junge, dunkelhäutige oder aus dem arabischen Raum stammende Männer in Gruppen als potenzielle Gefahr. Die grösste Herausforderung waren laut Geu aber nicht die verschiedenen Vorurteile, sondern die Rekrutierung. Es sei beiden Generationen leider schwer zu vermitteln gewesen, was der Gewinn des Austausches sei, obwohl sich die Beteiligten nach den Gesprächen jeweils sehr bereichert gefühlt hätten. Ende 2019 wurde das Projekt deshalb eingestellt.

Auch Frank Kauffmann, der für das Sprachzentrum der Universität und der ETH Zürich ein Projekt initiierte, bei dem ausländische Studentinnen in Stadtzürcher Alterszentren Deutsch lernen, hat mitunter Mühe, genügend alte Menschen zu finden, die bereit sind, sich zeitlich zu verpflichten. Als das Projekt 2004 anlief, seien die teilnehmenden Bewohnenden der Alterszentren tendenziell jünger und fitter gewesen, sagt Kauffmann. Wenn die Sache dann aber zu laufen käme, sei sie für beide Seiten erfüllend. Die fremdsprachigen Jungen erhalten die seltene Gelegenheit, in einen anderen Alltag einzutauchen, die alten Menschen lernen eine neue Person kennen. „Wenn die Chemie stimmt, läuft die Sache von alleine. Schon bald geht es nicht in erster Linie um die Sprache, sondern um die Beziehung. Mitunter sind es berührende Begegnungen“, erzählt Kauffmann. Ausser dem älteren Herrn, der seinen anvertrauten chinesischen Studenten als Industriespion verdächtigte, seien in all den Jahren keine gegenseitigen Vorurteile im Wege gestanden.

 

Ein Blogbeitrag von Daniela Kuhn

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