Wirkung von Generationenprojekten: Evaluationsstudie zu CompiSternli
Wissenschaft & Generationenforschung , Kommunikation & Medien
19. September 2013
Für die Weiterentwicklung von Generationenprojekten ist die Frage nach ihren Wirkungen sehr wichtig. Neue Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien und Evaluationen können nicht nur für das speziell untersuchte Projekt CompiSternli, sondern auch für andere Generationenprojekte von Nutzen sein.
Bundesrat zu Besuch bei Compisternli
Im Interview mit der Medienpsychologin Sarah Genner (Foto) werden wichtige Studienergebnisse vorgestellt.
Im Mittelpunkt der durchgeführten Studie steht das Projekt «CompiSternli». Worum geht es bei diesem Projekt?
Bei CompiSternli bringen Kinder Senioren den Computer bei. Dies ermöglicht älteren Personen, den gesellschaftlichen Anschluss in Bezug auf die Technik nicht zu verlieren und fördert den Generationendialog. Gleichzeitig können Kinder weitergeben, was sie am Computer gelernt haben.
Was war das Ziel der Studie?
Ziel des angewandten Forschungsprojekts war es einerseits, das Projekt CompiSternli zu evaluieren, seine Stärken und Schwächen zu erfassen. Andererseits wollten wir aus Forschungssicht mehr darüber erfahren, wie die Medienkompetenz-Vermittlung in diesem besonderen Lernsetting funktioniert: Jung lehrt alt. So wollten wir Erkenntnisse gewinnen für Medienkompetenz-Forschung sowie für andere Generationen-Projekte.
Wie ist die Studie aufgebaut?
Die Studie stellt zunächst die bisherigen Ergebnisse der Medien- und Generationen-Forschung und anschliessend ausführlich das Projekt CompiSternli dar. Der Hauptteil der Studie besteht aus den Auswertungen und Ergebnissen der Erhebungen. Unsere Resultate basieren auf zahlreichen Fragebogen-Erhebungen, Interviews, aber auch auf Besuchen in CompiSternli-Kursen. Das Schlusskapitel fasst die Resultate zusammen und zeigt die Bedeutung auf für die Forschung und die Praxis.
Welches sind die allgemein übertragbaren Haupterkenntnisse der Untersuchung?
Wichtig war zu erkennen, dass sowohl die Kinder wie auch die Senioren/-innen am Projekt hauptsächlich mitgemacht haben, weil sie mehr über Computer erfahren wollten. Also nicht, weil es sich um ein Generationenprojekt handelte. Das bedeutet: Der Generationendialog als Projektidee macht noch kein Generationenprojekt. Das informelle Lernen über die jeweils andere Generation hat das gegenseitige Bild dennoch positiv gestärkt. Es zeigte sich weiter, dass CompiSternli und ähnliche Projekte stark an motivierte Persönlichkeiten gebunden sind und sich nicht leicht institutionalisieren lassen. In Generationenprojekten ist es sinnvoll, die Umgangsformen wie z.B. Duzen/Siezen am Anfang zu regeln sowie eine klare Abmachung bezüglich Geschenken zu haben, um Misstönen und Neid vorzubeugen.
Wie haben die Kinder die Lernsituation mit älteren Menschen erlebt?
Jedes Kind war Betreuungsperson einer älteren Person. So war eine Eins-zu-eins-Lernsituation möglich. Daher hing es stark davon ab, wie die Chemie zwischen Kind und älterer Person stimmte. Die grosse Mehrheit der Kinder hat es als sehr positiv erlebt, eine ältere Person zu unterrichten und diese besser kennenzulernen. Fast alle Kinder berichteten, dass das Unterrichten viel Geduld brauche.
In welcher Art konnten die Senioren von den Kindern profitieren?
Die meisten Kinder erwiesen sich durch die Schulung der Gruppenleiter als geduldige Lehrpersonen und konnten durch den Einzelunterricht und das individuelle Lerntempo Computerkenntnisse erwerben. Viele Senioren/-innen berichteten, dass sie es angenehm fanden, von Kindern unterrichtet zu werden, weil sie sich eher als bei Erwachsenen getrauten, mehrmals nachzufragen.
Was zeigt ein Projekt wie «CompiSternli» über intergenerationelles Lernen?
Das Projekt zeigt, dass intergenerationelles Lernen möglich ist. Nicht unterschätzt werden darf jedoch der Aufwand der Gruppenleiter/-innen. Diese müssen zuerst die Kinder schulen und anschliessend die Gruppen moderieren und anleiten. Diese Zwischengeneration der Gruppenleiter/-innen spielt somit eine zentrale Rolle.
Welche Rolle spielen die neuen Medien beim Generationendialog?
Neue Medien eignen sich hervorragend zum Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen. Ältere Personen können Kindern konkret schildern, wie früher Kommunikation, Stenografie und Textverarbeitung funktionierte. Dies macht Kindern den rasanten Medienwandel und die Digitalisierung bewusster. Ältere Menschen können davon profitieren, dass Kinder häufig ohne Berührungsängste mit neuen Medien umgehen.
Wo sehen Sie in der Forschung zu Generationenprojekten mit neuen Medien noch interessante Forschungsfragen oder –themen?
Es wird spannend sein zu sehen, ob Generationenprojekte mit neuen Medien langfristig noch funktionieren, da ja keine Generationen ohne Computer-Erfahrung nachwachsen werden. Persönlich fände ich es interessant, ein Projekt wissenschaftlich zu begleiten, in dem junge Menschen Filmporträts über ältere Menschen machen, also neue Medien einsetzen, um sich einer älteren Generation und früheren Zeiten anzunähern.
Die Fragen stellte Natascha Wey.
Ein weiterer Blogbeitrag mit Details der Studie finden Sie hier. Die CompiSternli-Studie wurde mit Hilfe mehrerer Stiftungen finanziert und ist auf der Website des Departements Psychologie der ZHAW veröffentlicht.
Decken sich Ihre Erfahrungen mit den Erkenntnissen aus der CompiSternli-Studie? Schreiben Sie uns ein Kommentar!
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