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Warum Jugendliche sich in Generationenprojekten engagieren

31.01.2020

Aus dem Projekt Generationenaustausch beim Jugendrotkreuz Kanton Zürich

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Immer wieder hört man, dass Jugendliche sich nicht für alte Menschen interessieren. Das Jugendrotkreuz (JRK) Kanton Zürich hat diesbezüglich andere Erfahrungen gemacht. Die Gründe, warum sich junge Rotkreuz-Freiwillige für ein Engagement in Alterszentren entscheiden, sind vielfältig. 

Persönliche Vorlieben: Jung oder Alt

«Mit alten Menschen, nein das ist nichts für mich» und «Auf keinen Fall mit Kindern» diese zwei Aussagen hören JRK-Mitarbeitende im Rahmen der Erstgespräche mit künftigen Freiwilligen immer wieder.

Einen guten Draht zu bestimmten Altersgruppen zu haben und zu anderen weniger, sind ganz einfach normale persönliche Vorlieben. Manche können sich toll in Kleinkinder hineinversetzen, andere verstehen sich gut mit Jugendlichen und wieder andere schätzen ein Gespräch mit einer älteren Person. Und es wäre auch nicht gut, wenn dies nicht so wäre, denn sonst wären alle gleich und würden entweder Kinderbetreuer, Oberstufenlehrer oder Pflegfachpersonen werden.

Spontan versus planbar – aber nicht nur

Ob die Jugendlichen, die sich bei Intergenerationen-Projekten engagieren, ein klar unterscheidbares Profil haben zu jenen, die bei Aktivitäten für Kinder und Jugendliche mitmachen? Tatsächlich spürt Victoria Siegl, JRK-Mitarbeiterin und selbst ehemalige Freiwillige, oft bereits beim ersten Kennenlernen neuer Freiwilliger instinktiv, wofür sich eine Person entscheiden könnte.

Oft – aber nicht immer – sind es eher ruhigere Menschen, die sich für Intergenerationen-Projekte interessieren. Sie wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie im Blindenwohnheim vorlesen oder in einem Alterszentrum einen Rollstuhlspaziergang machen. Diese Vorhersehbarkeit wird als positiv gewertet. Anders verhält es sich bei den Aktivitäten mit Kindern: Was im Laufe eines dreistündigen Waldtages mit rund 20 Kindern passieren wird, ist nur teilweise planbar, denn neben den vorgesehenen Spielen passiert vieles ganz spontan.

«Intergenerationen-Freiwillige» bevorzugen meist den Eins-zu-eins-Kontakt mit einem Gegenüber, mit dem sie vertieft ins Gespräch kommen können, anstatt sich auf Überraschungen in einer grossen Gruppe einzulassen. Aber natürlich gibt es noch weitere Faktoren bei der Wahl künftiger Aktivitäten, allen voran die eigenen Erfahrungen und Interessen, und man kann nicht von eindeutigen Profilen sprechen.

Medien beeinflussen die Präferenzen der Freiwilligen

In den letzten Jahren war es teilweise schwierig, genügend Freiwillige für die Aktivitäten in den Alterszentren zu finden. Die meisten wollten lieber etwas mit Kindern und Jugendlichen unternehmen. Seit etwa zwei Jahren hat sich das geändert und immer mehr Jugendliche bekunden Interesse an Intergenerationen-Projekten. Was könnte der Grund dafür sein?

Es gibt verschiedene Einflüsse, die nicht so klar trennbar sind. Einerseits hat die Flüchtlingswelle nachgelassen und damit die mediale Aufmerksamkeit für das Schicksal geflüchteter Jugendlicher und Kinder, für die sich eine Zeit lang sehr viele Freiwillige engagieren wollten. Auf der anderen Seite hat das Zürcher Rote Kreuz seit einigen Jahren eine Partnerschaft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt Zürich für das Angebot ÖV-Begleitdienst. Es handelt sich dabei um eine Hilfestellung im Alltag, bei der Freiwillige wenig mobile Menschen in Bus und Tram zum Arzt oder in die Therapie begleiten. Ein Plakat in Zürcher Trams wirbt seither für Freiwilligenarbeit mit dem jungen Freiwilligen Nermin gemeinsam mit einer älteren Frau. Viele interessierte Freiwillige melden sich auf das Plakat hin.

Ein weiteres Werbeplakat, das im Sommer 2019 im Kanton Zürich Teil der Image-Kampagne des Zürcher Roten Kreuzes war, zeigt die junge Freiwillige Ivona beim Kartenspielen mit einer alten Dame im Alterszentrum (siehe Titelbild, ganz oben). Es ist gut möglich, dass dadurch mehr das Interesse an «Intergenerationen-Projekten» geweckt wurde.

Erfahrung in Alterszentren als Vorbereitung auf das Berufsleben

Einige Freiwillige möchten Erfahrungen in Alterszentren sammeln, weil sie eine Arbeit in der Pflege interessiert. Manche überlegen sich zum Beispiel, eine Ausbildung zur Fachperson Gesundheit zu machen. In den Intergenerationen-Projekten können sie erfahren, ob es ihnen leichtfällt, einen Bezug zu betagten Menschen herzustellen. Und sie haben so die Gelegenheit, ihre Sozialkompetenzen zu üben und zu verbessern.

Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, bei den Begegnungen von ihrem Gegenüber etwas zu lernen und eigenes Wissen weiterzugeben. Oft berichten Freiwillige beispielsweise, dass sie von den Lebensweisheiten der betagten Menschen profitieren können. Im Gegenzug können sie ihr eigenes Wissen weitergeben – häufig im Bereich der sogenannten Digital Skills. Diese gegenseitige Unterstützung steigert das Selbstwertgefühl aller Beteiligten.

Migrationshintergrund und Grosseltern-Mangel

Viele junge Menschen in der Schweiz haben einen Migrationshintergrund. Auch wenn sie hier geboren sind, leben die Grosseltern und die Grossfamilie oft im Ausland. Andere sind hierher geflüchtet, meist gemeinsam mit ihren Eltern. Oft besteht kaum Kontakt zu älteren Menschen, was manche Jugendliche als Mangel erleben. Von den Alten etwas zu lernen, ihre Freude und Gelassenheit zu teilen, sie als Zeitzeugen zu befragen und ihre Ansichten kennenzulernen – all das sind spannende Anreize, um in Intergenerationen-Projekten mitzumachen.

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