AlterNEUdenken
Demographischer Wandel als Herausforderung und Chance zugleich
Im Zuge der demographischen Alterung nehmen sowohl Zahl als auch Anteil der Menschen im Alter von über 65-Jährigen zukünftig deutlich zu. Die demographische Alterung ist dabei durch das beständig niedrige Niveau der Geburtenrate und die kontinuierliche Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung bedingt. Als Folge sind ein Rückgang der Bevölkerungszahl und Verschiebungen in der Altersstruktur zu beobachten. Diese Veränderungen werden die Gesellschaft vor vielfältige Herausforderungen stellen. Sie betreffen vor allem die soziale Absicherung [Pensions- und Krankenversicherung, Pflege], Arbeitsmarkt und Beschäftigung [Erwerbspersonenpotenzial] sowie soziokulturelle Dimensionen.
Neben diesen quantitativen Veränderungen unterliegt das Alter aber auch einem qualitativen Wandel. Der Zuwachs der Lebenserwartung geht – dank des medizinischen Fortschritts – mit einer Zunahme der Lebensjahre ohne stärkere gesundheitliche Beeinträchtigungen einher. Die sogenannte „dritte Lebensphase“ wird also entgegen des heutigen gesellschaftlichen Altenbildes nicht von gesundheitlichen Einschränkungen und Hilfsbedürftigkeit dominiert. Immer mehr Menschen in höherem Alter gestalten ihren Alltag aktiv und selbstständig. Alter ist eine eigenständige Lebensphase, in der Menschen [immer noch] über zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten verfügen. Die Verwirklichung dieser Entwicklungsmöglichkeiten bildet die Grundlage eines kreativen, selbstverantwortlichen und erfüllten Lebens.
Stärken und Potenziale des Alters
In den gesellschaftlichen Altersbildern wird den möglichen Stärken und Potenzialen des Alters nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Im Interesse besserer Möglichkeiten der Verwirklichung einer selbstbestimmten, persönlichen Werten, Zielvorstellungen und Präferenzen entsprechenden Lebensführung im Alter, aber auch im Interesse der Erhaltung von intergenerationeller Solidarität und Innovationsfähigkeit ergibt sich die Notwendigkeit, Alter neu zu denken.
Die primäre Verantwortung, neue Altersbilder zu etablieren, liegt zum Teil bei politischen Entscheidungsträgern auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene, zum Teil bei den Medien, Unternehmen und Betrieben, und zum Teil auch bei der Gesellschaft im Allgemeinen und bei den älteren Menschen selbst. Das Alter neu zu denken ist letztlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wo jede und jeder für sich das eine und andere beitragen kann.
Von der Geburt bis zum Tod – das Altern
Altern an sich ist ein von der Geburt bis zum Tod andauernder Prozess, der – auch wenn er in allen Gesellschaften in verschiedene Phasen unterteilt wird – kontinuierlich verläuft und sowohl biologische und psychologische als auch soziale Veränderungen umfasst. Diese Veränderungen verlaufen nicht schicksalhaft, sondern sind vielmehr lebenslang durch verantwortliches oder riskantes Verhalten, durch herausfordernde und anregende oder durch hemmende und einschränkende Umweltbedingungen sowie durch gezielte Interventionsmaßnahmen beeinflussbar. Entsprechend nehmen die zwischen Menschen beobachtbaren Unterschiede in körperlichen und geistigen Funktionen, Lebensstilen, sozialen Rollen, Anliegen und Präferenzen mit fortschreitendem Alter nicht ab, sondern eher zu.
Da sich aber individuelle Alternsprozesse je nach Geburtsjahrgang sehr unterschiedlich gestalten – so zeichnen sich spätere Geburtsjahrgänge unter anderem durch bessere Gesundheit und eine höhere aktive Lebenserwartung aus –, können gesellschaftliche Strukturen in dynamischen Gesellschaften zeitweise in partiellem Widerspruch zu individuellen Potenzialen stehen. Ist dies der Fall, dann haben gesellschaftliche Altersbilder negative Auswirkungen auf die Möglichkeiten und Gelegenheiten einer an persönlichen Bedürfnissen, Wünschen und Präferenzen orientierten Lebensführung. Die potenziell negativen Auswirkungen gesellschaftlicher Altersbilder werden dadurch verstärkt, dass Menschen häufig dazu neigen, gesellschaftlich geteilte Meinungen und Überzeugungen auch dann zu übernehmen, wenn sie mit ihrem Selbstbild nicht übereinstimmen.
Angesichts der ausgeprägten Heterogenität von Alternsprozessen und der Tatsache, dass Altersbilder Auswirkungen auf das Selbstbild, auf die Nutzung von Potenzialen und Kompetenzen, auf die individuelle Lebensplanung, auf die Bemühungen um selbstverantwortliche Gestaltung des eigenen Alternsprozesses sowie auf Möglichkeiten und Gelegenheiten zu sozialer Teilhabe haben, ist eine altersfreundliche, durch Solidarität zwischen den Generationen gekennzeichnete Gesellschaft ohne differenzierte Altersbilder nicht denkbar.
AlterNEUdenken – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Stärken und Potenziale des Alters werden gegenwärtig in unserer Gesellschaft weder in ausreichendem Maße erkannt noch gefördert und genutzt. Gleichzeitig werden auch spezifische Problemlagen und soziale Ungleichheiten im Alter nach wie vor häufig übersehen.
Kreative und innovative Potenziale, Potenziale eines selbstbestimmten, selbstverantwortlichen und mitverantwortlichen Lebens, intergenerationelle Solidarität und Möglichkeiten der Sinnfindung im Alter werden in aller Regel nicht ausreichend gewürdigt. Und auch mit Blick auf jene älteren Menschen, die an Erkrankungen leiden oder bei denen Behinderungen bestehen, werden Fragen der sozialen Teilhabe und der Menschenwürde häufig nicht angemessen thematisiert.
Die Notwendigkeit, bestehende Altersbilder kritisch zu hinterfragen, beschränkt sich nicht auf Politiker und andere gesellschaftliche Akteure, die für die Gestaltung der Rahmenbedingungen von Alternsprozessen zuständig oder mit der Betreuung und Versorgung Älterer betraut sind. Wie bereits erwähnt, ist die Entwicklung von differenzierten Altersbildern – von der letztlich alles Mitglieder der Gesellschaft profitieren – eine gemsamtgesellschaftliche Aufgabe.
Inwieweit Altersbilder aber in unserer Gesellschaft kritisch reflektiert werden, ist nicht zuletzt auch davon abhängig, dass auch die älteren Menschen selbst Verantwortung für die Ausbildung und Erhaltung von Stärken und Potenzialen übernehmen und bereit sind, diese im Interesse anderer zu nutzen. Zur Verwirklichung beispielsweise von sozialer Teilhabe und intergenerationeller Solidarität bedarf es nicht nur von Seiten des Staates oder der Gesellschaft zu schaffender Rahmenbedingungen, sondern auch der Bereitschaft älterer Menschen, in den öffentlichen Raum zu treten und diese Möglichkeiten entsprechend zu nutzen.
Chancen einer alternden Gesellschaft, Stärken und Potenziale des Alters
Der demographische Wandel ist nicht nur mit Herausforderungen, sondern auch mit Chancen für unsere Gesellschaft verbunden. Diese müssen stärker betont werden. Die gestiegene Lebenserwartung ist auch mit einem Mehr an „aktiven“ Jahren verbunden, in denen Erfahrungen und Kompetenzen aufgebaut und genutzt werden können. Des Weiteren zeigen zahlreiche Studien, dass die physische, psychische und kognitive Leistungsfähigkeit im Alter durch verantwortliches Verhalten in allen Lebensabschnitten gefördert werden kann. Weder die Möglichkeiten der Prävention für das Alter noch die Möglichkeiten der Prävention im Alter sind gegenwärtig ausgeschöpft.
Ein solchermaßen „neues“ Alter muss stärker ins öffentliche Bewusstsein gebracht werden.
Des Weiteren sind unterschiedliche Formen des Alterns in weit stärkerem Maße als das Ergebnis lebenslanger Entwicklungsprozesse darzustellen, deren Verlauf zu einem guten Teil durch soziale und psychologische Faktoren bestimmt und durch bewusstes »gesundes« Handeln beeinflussbar ist. Sodann sind beispielhaft Wege aufzuzeigen, wie bestimmte Formen des Alters erreicht und andere vermieden werden können. Hier kommt den Bildungsinstitutionen und Medien eine besondere Aufgabe in der Vermittlung positiver Aspekte von Altersbildern zu.
Für spezielle Probleme des hohen Alters sensibilisieren
Eine vorrangige Aufgabe bei der Entwicklung differenzierter Altersbilder ist auch darin zu sehen, dass die besondere Verletzlichkeit des sehr hohen Alters in einer Art und Weise wahrgenommen wird. Auch dann, wenn schwere körperliche Erkrankungen vorliegen, können Menschen ein selbst- und mitverantwortliches Leben führen. Auch bei fortgeschrittener demenzieller Erkrankung sind Menschen noch in der Lage, an gemeinschaftlichen Aktivitäten teilzuhaben, Emotionen zu empfinden und anderen mitzuteilen. Durch eine angemessene Gestaltung der räumlichen Umwelt und durch angemessene Betreuungs- und Versorgungskonzepte kann zumindest in Teilen zu einer besseren räumlichen und zeitlichen Orientierung beigetragen werden.
Demenzkranke müssen nicht unglücklich sein. All dies ist – wenn auch durch wissenschaftliche Befunde gut belegt – in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt. Durch differenziertere Altersbilder könnten hier zum einen in der Bevölkerung weit verbreitete Ängste gelindert, zum anderen die Möglichkeiten der Teilhabe schwerstkranker Menschen verbessert werden.
Auf das Lebensende bezogene Ängste gezielt aufgreifen
Fragen der Versorgung von Pflegebedürftigen, Demenzkranken und Sterbenden berühren nicht nur ernst zu nehmende, auf das hohe Alter bezogene Ängste, sondern auch Grundwerte unserer Gesellschaft. Bei dem Bemühen um die Förderung eines differenziellen Altersbildes dürfen Fragen nach dem Wert menschlichen Lebens und der Würde des Menschen nicht ausgeklammert werden. Vorhandene Wissensdefizite in Bezug auf die Möglichkeiten einer angemessenen Versorgung, nicht zuletzt der Palliativmedizin und Palliativpflege, müssen in diesem Sinn behoben werden.
Hier ist gezielte Aufklärungsarbeit zu fordern. Dabei ist insbesondere zu betonen, dass auch gravierende Einschränkungen der Selbstständigkeit eine selbstverantwortliche und selbstbestimmte Lebensführung am Ende des Lebens nicht ausschließen. Über die Möglichkeiten einer angemessenen Schmerztherapie ist viel zu wenig bekannt. Gleiches gilt für die Tatsache, dass mitunter gerade in Grenzsituationen auch neue Einsichten gewonnen werden können, die sich im Sinne eines „Werdens zu sich selbst“ beschreiben lassen.
Visionen und Perspektiven eines gelingenden Alters
Angesichts des demographischen Wandels gibt es keine Alternative zu einer stärkeren Nutzung der Ressourcen älterer Menschen – auch zu deren eigenem Wohl. Denn Untersuchungen zeigen, dass das Gefühl, gebraucht zu werden, im Allgemeinen mit einer höheren Lebensqualität einhergeht. Ältere Menschen verfügen über kognitive, lebenspraktische und sozialkommunikative Kompetenzen, die sie befähigen, innerhalb unserer Gesellschaft ein mitverantwortliches Leben zu führen – zum Beispiel im Sinne des Engagements in der Gemeinde, in Vereinen, in der Nachbarschaft und Familie. Inwieweit ältere Menschen bereit sind, diese Potenziale für andere zu nutzen, hängt auch davon ab, ob diese Leistungen auch angemessen gewürdigt werden.
Dies heißt auch: Die gesellschaftlichen Altersbilder müssen sich in der Hinsicht wandeln, dass mit Alter in stärkerem Maße auch das Potenzial zu gesellschaftlicher Produktivität und Kreativität assoziiert wird.
Eine andere Perspektive gelingenden Alters ist in einem selbstverantwortlichen Umgang mit Einschränkungen und Verlusten zu sehen. Für Altersbilder bedeutet dies, dass Würde und Wert eines Menschen unabhängig von körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit, Behinderung, Hilfe- oder Pflegebedarf anerkannt werden müssen. Die Vermittlung von Visionen und Perspektiven eines gelingenden Alters darf nicht mit einer Bewertung von individuellen Lebenslagen und Lebensentwürfen verwechselt werden. Es geht hier lediglich darum, mögliche Orientierungen aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass persönliche Sinnentwürfe auch in Situationen möglich sind, denen viele Menschen mit großen Ängsten entgegensehen.
Möglichkeiten lebenslanger Prävention erkennen und ausschöpfen
Das Bewusstsein für Möglichkeiten der Prävention für das Alter wie für Möglichkeiten der Prävention im Alter muss gestärkt werden. Durch ein verändertes öffentliches Bewusstsein, eine stärker präventive Ausrichtung des Gesundheitssystems, aber auch durch die Gestaltung sozialer, räumlicher und infrastruktureller Umwelten und Prävention sozialer Ungleichheiten können Alternsprozesse erheblich beeinflusst werden. Wenn diese Möglichkeiten stärker zur Kenntnis genommen und genutzt werden, dann wird dies auch zur Folge haben, dass Alter und Krankheit in Altersbildern weniger eng verknüpft und Potenziale und Stärken des Alters stärker beachtet werden.
Lebenslanges Lernen
Generell sollte lebenslanges Lernen in unserer Gesellschaft mehr verankert werden. Dabei vollzieht sich lebenslanges Lernen nicht ausschließlich und gerade nach der Erwerbsphase auch nicht primär in formalen Kontexten. Mit fortschreitendem Alter kommt dem informellen Lernen zunehmende Bedeutung für die Erhaltung von Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und sozialer Teilhabe zu.
Die „Verpflichtung“ zu lebenslangem Lernen ist nicht im Sinne einer normativen Setzung, sondern als Verweis auf die Eigenverantwortung des Einzelnen zu interpretieren. Konkrete Inhalte lebenslangen Lernens ergeben sich dabei zum Teil aus gesellschaftlichen Anforderungen und Entwicklungen, zum Teil aus individuellen Bedürfnissen, Wünschen und Ansprüchen.
Alter als möglichen Impuls für gesellschaftliche Innovation
Durch ihre im Vergleich zu jüngeren Menschen umfangreicheren Erfahrungen kommt älteren Menschen in einer sich ständig wandelnden Informations- und Wissensgesellschaft besondere Bedeutung für die Generierung, Speicherung, Kommunikation und Weitergabe von Wissen zu. Die Innovationsfähigkeit jüngerer Menschen wird durch die Möglichkeit, mit älteren Menschen in einen Dialog über deren Erfahrungswissen zu treten, begünstigt. Gleichzeitig verfügen ältere Menschen dann, wenn es ihnen gelingt, kontinuierlich neue Perspektiven, Erfahrungen und Erkenntnisse in ihre Wissenssysteme zu integrieren, über erhebliche kreative und innovative Potenziale.
Ältere Menschen sind im Allgemeinen nicht weniger, sondern auf andere Art und Weise kreativ und innovativ als jüngere Menschen. Ältere Beschäftigte und Selbstständige sind häufig besser als jüngere in der Lage, sich in ihrem Denken von aktuellen Arbeitsabläufen und Arbeitsstrukturen zu lösen. Für sie ist es oft auch weniger wichtig, ihre berufliche Leistungsfähigkeit kontinuierlich unter Beweis zu stellen und Karriere zu machen. Ihre familiäre Situation erlaubt es ihnen häufig eher, sich auf ihren Beruf zu konzentrieren, die Identifikation mit dem Arbeitgeber und der eigenen Tätigkeit ist häufig höher.
Aus den genannten Gründen können sich ältere Beschäftigte und Selbstständige zum Teil eher als jüngere von Routinen und Erwartungen lösen und sich die Zeit für kreative und innovative Leistungen nehmen. Die kreativen und innovativen Potenziale älterer Menschen beschränken sich aber nicht auf den Bereich der Erwerbsarbeit – wo Unternehmen zunehmend versuchen, diese Potenziale durch die Einrichtung altersgemischter Teams zu nutzen –, sondern sind gleichermaßen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements erkennbar.
Intergenerationeller Austausch
Durch den Austausch von Erfahrungen und Wissen sowie durch die Verwirklichung gemeinsamer Projekte lassen sich negativ akzentuierte Sichtweisen von Alter und Altern ebenso abbauen wie auf der Seite Älterer bestehende Vorbehalte gegenüber der jüngeren Generation. Des Weiteren sollte das Bewusstsein für gemeinsame Interessen und gegenseitige Unterstützungsmöglichkeiten gefördert werden. Zentrale Orte intergenerationellen Austauschs sind Arbeit, Wohnen und Familie.
Obwohl in den letzten Jahren verschiedene Modellprogramme mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen den Generationen zu stärken, ins Leben gerufen wurden, gilt nach wie vor, dass sich außerhalb von Beruf und Familie keine ausreichenden Gelegenheitsstrukturen für intergenerationelle Austauschprozesse finden. Entsprechend sind interessensorientierte Angebote und Aufgaben in Gemeinden, aber auch städtebauliche Maßnahmen, die öffentliche Plätze für verschiedene Generationen anziehend machen, oder eine Ausweitung von Serviceangeboten, die gleichzeitig mehreren Generationen zugute kommen, ebenso zu empfehlen wie eine stärkere Vernetzung von Angeboten für Kinder und für Ältere.
Bei derartigen Angeboten ist allerdings zu beachten, dass Kontakt alleine noch nicht zu differenzierten Altersbildern führt, sondern gegebenenfalls Begleitung, Supervision oder flankierende Informationsangebote notwendig werden.
Verantwortungsvoller Umgang mit Fragen des Alters und Alterns
Darstellungen in den Medien greifen nicht nur gesellschaftliche Altersbilder auf, sie sind auch in der Lage, diese zu modifizieren oder neue Altersbilder zu schaffen. Aus diesem Grund sollte auf negativ akzentuierte Altersbilder und Stereotype verzichtet werden und stattdessen die unterschiedlichen Facetten verschiedener Altersphasen ausgewogen dargestellt werden.
Für den Bereich der Werbung ist heute festzustellen, dass ältere Menschen zunehmend als eine bedeutsame Zielgruppe erkannt werden, die nicht nur als Abnehmer von Gesundheitsprodukten von Interesse ist. Auch im Fernsehen treten ältere Menschen heute vermehrt in sozialen Rollen auf, die für ein neues, aktives Alter charakteristisch sind.
Dennoch werden im Zusammenhang mit den Möglichkeiten, Alternsprozesse verantwortlich zu gestalten, häufig negative Altersbilder unnötig instrumentalisiert. So sehr es zu begrüßen ist, dass Möglichkeiten, Alternsprozesse zu beeinflussen, vermehrt dargestellt und beworben werden, so wenig ist es hilfreich, dies mit Bezug auf „Anti-Aging“ zu tun. Denn damit ist immer auch zugleich eine subtile Abwertung des Alters verbunden. Im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs wäre hier zu fordern, dass weniger der Aspekt der Vermeidung von Veränderungen, sondern stärker der Gestaltungsaspekt im Sinne eines „Pro-Aging“ hervorgehoben wird.
Ein verantwortungsvoller Umgang könnte natürlich auch dadurch gefördert werden, dass älteren Menschen vermehrt Möglichkeiten der Teilhabe an der Gestaltung medialer Botschaften eröffnet werden.
Die Rolle der Politik
Die gesellschaftliche Wahrnehmung des Alters ist nicht zuletzt durch den politischen Diskurs über die Folgen des demographischen Wandels und die zukünftige Gestaltung sozialer Sicherungssysteme geprägt. Hier ist darauf zu achten, dass neben den Risiken des Alters auch die Leistungen, Stärken und Potenziale älterer Menschen angemessen gewürdigt werden. Ältere Menschen sind nicht lediglich eine finanzielle Belastung für unsere Gesellschaft, sie tragen durch familiäres und ehrenamtliches Engagement erheblich zur Wertschöpfung bei. Sie sind nicht lediglich auf Unterstützung durch jüngere Menschen angewiesen, intergenerationelle Beziehungen sind vielmehr vor allem durch Gegenseitigkeit geprägt.
Die Pflege älterer Menschen wird zu einem erheblichen Teil von älteren Menschen geleistet – beispielsweise wenn ein Mann seine Frau pflegt. Auch die ausgeprägte Heterogenität des Alters und die bis ins höchste Alter bestehenden Präventions- und Interventionsmöglichkeiten müssen stärker Gegenstand politischer Debatten werden.
Des Weiteren ist darauf zu achten, dass Interessen der jüngeren und älteren Generation nicht gegeneinander ausgespielt werden, für die es nach wie vor keine empirischen Belege gibt. Stattdessen ist darauf zu achten, dass die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf verschiedene Altersgruppen transparent gemacht, differenziert dargestellt und begründet werden. Schließlich wäre natürlich auch darauf zu achten, dass ältere Menschen in politischen Gremien angemessen vertreten sind.
Wahrung von Generationengerechtigkeit und Generationensolidarität
In dynamischen Gesellschaften sind die Chancen, die sich für eine Gruppe ergeben, nicht selten mit Risiken für andere Gruppen verbunden. Entsprechend ist es denkbar, dass die gezielte Förderung der Nutzung von Ressourcen des Alters zu Lasten der für nachfolgende Generationen bestehenden Möglichkeiten geht, ihre eigenen Ressourcen zu vermehren oder zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang sollte nicht übersehen werden, dass gesellschaftliche Innovationen subjektiv wahrgenommen und bewertet werden.
So kann eine Verbesserung der Erwerbschancen Älterer von Jüngeren auch dann im Sinne einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung der eigenen Generation interpretiert werden, wenn die jüngere Generation objektiv von dieser Entwicklung profitiert. Entsprechend ist eine Förderung von Potenzialen älterer Menschen nur im Kontext einer generationenübergreifenden Perspektive möglich, die sich gleichzeitig kontinuierlich um die Transparenz von Zielsetzungen und Maßnahmen bemüht.
Es ist [noch] viel zu tun
Sie sehen, im Bereich »AlterNEUdenken« wird noch sehr viel Wasser die Donau hinunter fließen, bis sich auch die noch so versteckten “alten und verstaubten“ Ansichten und Einstellungen gegenüber der älteren Generation sozusagen in Luft aufgelöst haben. Und genau da setzen wir mit unserem Portal – hoffentlich gemeinsam – an:
»»» AlterNEUdenken.com «««
Vielen Dank für den beeindruckenden Einblick, in wie die Gesellschaft Altersbilder formt und stereotypisiert. Altersbilder eine neue Form zu geben und diverser zu gestalten ist sicherlich eine Aufgabe, die generationenübergreifend wahrgenommen werden muss!