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Reflexion über das Alter (Gerontolinguistik)

Die Lehrerin und Linguistin Claudine Buchmüller forschte rund um das Thema Alter und dessen Kommunikation. Unter anderem hat sie ein Konzept entwickelt, mit dem Gymnasiasten im Rahmen des Deutschunterrichts an das Thema Alter, bzw. die Alterssprache (Gerontolinguistik), herangeführt werden können.

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Frau Buchmüller, für Ihre Lizentiatsarbeit haben Sie die Alterssprache untersucht, die sogenannte Gerontolinguistik. Als Teil dieser Arbeit haben Sie ein Konzept für den Deutschunterricht an Gymnasien entwickelt. Wie kann Gymnasiasten das Thema Alter näher gebracht werden?

Die Auseinandersetzung geschieht auf verschiedenen Ebenen. Zum einen, indem die Sprache reflektiert wird, und damit das Denken. Konkret werden bestimmte Begriffe mittels Übungen bewusst gemacht, zum Beispiel „Alter“: Es gibt das „Zeitalter“ oder das „Jugendalter“. Die Schüler realisieren, dass der Begriff auch neutral verwendet werden kann. Oder sie suchen Synonyme dafür, indem sie den Satz: „Ich bin 17 Jahre alt“ mit anderen Worten formulieren.

 

Sie haben sich auch mit dem medialen Einfluss beschäftigt. Wie lässt er sich aufzeigen?

Bilder und Texte zementieren in der Werbung und in redaktionellen Beiträgen bestimmte Vorstellungen, die wir vom Alter haben. Indem ich negative oder auch positive Beispiele vorlege, zeige ich bestimmte Stereotype auf. Die Schüler machen Vorschläge, wie der sprachliche Umgang mit älteren Menschen in konkreten Zeitungsartikeln verbessert werden könnte. Darüber hinaus beschäftigen sie sich auch mit dem Altersbild unserer Gesellschaft.

 

Können Sie dazu ein Beispiel geben?

Die Schüler lesen einen Text, den eine junge Autorin geschrieben hat, die sich eine Zeit lang als alte Frau angezogen hat und in gebückter Haltung im öffentlichen Raum unterwegs war. Sie erzählt, was sie dabei erlebt hat und wie es sich anfühlt, als alter Mensch durch unsere Welt zu gehen. Ich lege den Schülern auch eine Liste des Kommunikationswissenschaftlers Reinhard Fiehler vor, auf der er anhand von Stichworten aufzeigt, was Alter in unserer Kultur bedeutet. Beispielsweise „Verringerung sozialer Kontakte“. Die Schüler schreiben dazu ein Fazit aus ihrer Sicht.

 

Vor drei Jahren haben Sie an der Zürcher Atelierschule Ihr Konzept mit 18-19-jährigen Gymnasiasten während vier Vormittagen sozusagen getestet. Wie fielen die Reaktionen der Schüler aus?

Die einen fanden das Thema sehr interessant und für sie völlig neu. Andere meinten, die vier Vormittage hätten zu wenig mit dem Stoff des Deutschunterrichts zu tun gehabt. In gewisser Weise kann ich diese Kritik nachvollziehen, da die Klasse kurz vor der Matura stand. Beteiligt haben sich aber alle und laut Auswertung haben die meisten gewisse Erkenntnisse aus dem Projekt ziehen können. Ich muss allerdings hinzufügen, dass ich die Schüler nicht gut gekannt habe, weil ich die Lehrperson vertreten habe.

 

Und wie haben Sie selber das Experiment erlebt?

Ich fand es sehr schön. Aber ich habe dabei auch realisiert, wie weit weg das Thema Alter für Gymnasiasten ist. Es ist eine riesige Kluft zwischen diesen drei Generationen. Als Teenager denkt man wirklich nicht daran, dass man selber einmal alt sein wird. Ich denke daher, es wäre fast spannender, das Thema mit 30- oder 40-Jährigen anzuschauen, die sich vielleicht selber schon ein wenig damit befasst haben. Wer das Thema dennoch mit Gymnasiasten behandeln möchte, dem rate ich, es mit persönlichen Begegnungen zu verknüpfen. Im Geschichtsunterricht könnten beispielsweise Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg von ihren Erlebnissen erzählen. Die älteste Generation sollte sich in einer Begegnung aktiv einbringen können, sie soll eine gegenseitige Bereicherung sein.

 

Wie liesse sich ein Austausch zwischen den Generationen abgesehen vom Geschichtsunterricht sonst noch im normalen Schulbetrieb integrieren?

Im normalen Schulbetrieb sehe ich im Moment keine Möglichkeit. Im Rahmen einer Projektwoche mit älteren Gymnasiasten könnte ich mir ein Arbeiten mit dem vorhin erwähnten Konzept aber durchaus vorstellen. Die entsprechenden Unterlagen stelle ich gerne zur Verfügung.

 

Ein Blogbeitrag der Zürcher Autorin Daniela Kuhn im Auftrag von Intergeneration

 

Wissenswertes rund um den Austausch zwischen den Generationen, Gerontolinguistik und alles weitere rund um Generationenbeziehungen gibt’s in unserem Blog.

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