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Tagungsbericht: Generationenverbindende Begegnungen in der Betreuungsarbeit

Das Feld «Betreuung» gilt es für Generationenbegegnungen zu nutzen! Damit können einerseits die Lebensqualität, Autonomie und Gesundheit der betagten Menschen und andererseits die sozialen und kognitiven Kompetenzen der Kinder gefördert werden.

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Foto: Evangelische Hochschule Freiburg im Breisgau (Deutschland)

Regelmässige und professionell begleitete Begegnungen zwischen kleinen Kindern und alten Menschen sind sehr zu begrüssen. Damit können einerseits die Lebensqualität, Autonomie und Gesundheit der betagten Menschen und andererseits die sozialen und kognitiven Kompetenzen der Kinder gefördert werden. An der schweizweit ersten Tagung zur generationenverbindenden Betreuung, die Intergeneration gemeinsam mit Careum Weiterbildung am 14. November 2017 in Aarau veranstaltete, wurde diese Einschätzung von den ReferentInnen bestätigt und mit eigenen Erkenntnissen aus Forschung, Betreuungspraxis und Verbandsarbeit untermauert.   

Betreuung als wichtiges Feld für Generationenbegegnungen nutzen

In einer kurzen Einführung hob Monika Blau, Programmleiterin Intergeneration und Mitveranstalterin der Tagung, besonders die gesellschaftspolitische Bedeutung von intergenerativen Begegnungen in den ausserfamiliären Betreuungseinrichtungen von Kindern und alten Menschen hervor. Diese generationenverbindenden Angebote, die sowohl in Kitas, Spielgruppen oder Horten als auch in den diversen Arten von Altersbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen durchgeführt werden können, bieten eine wertvolle Chance – gerade auch ausserhalb von Familienstrukturen – die fremden Lebenswelten anderer Generationen kennenzulernen und gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Unterschiede wie Gemeinsamkeiten können in diesen Begegnungen entdeckt und für beide Altersgruppen fruchtbar gemacht werden. Letztendlich geht es bei einer Förderung von intergenerativen Betreuungsangeboten um ein Puzzlestück bei der immer wichtigeren Pflege und Weiterentwicklung des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Monika Blau untermauerte diese Einschätzung mit aktuellen statistischen Daten über die familiären Kontakte der 60 bis 80-Jährigen zu Kindern: Nur ein Drittel der Senioren trifft sich zumindest einmal in der Woche mit einem (Enkel)-Kind, so dass von alltäglichen Begegnungen mit der jungen Generation gerade im täglichen Leben kaum gesprochen werden kann. Für die überwiegende Mehrheit der Rentnergeneration gehören Kontakte mit Kindern nicht zu ihrem alltäglichen Lebensumfeld dazu.

Dafür werden mehrere Gründe angeführt: Neben einer wachsenden Kinder- bzw. in der Folge Enkellosigkeit sind die Ursachen vor allem in der steigenden Mobilität aller Beteiligten und den volatileren Familienstrukturen zu finden. Mit der Gegenüberstellung der bisherigen und prognostizierten quantitativen Generationenverhältnisse von 1940 bis 2045 veranschaulichte die Referentin diesen demografischen Wandel in der Schweiz mit Zahlen, um damit auch die neue Bedeutung von ausserfamiliären Generationenbeziehungen deutlich zu machen: Durch das starke Anwachsen des Anteils von Menschen ab 65 Jahren und der gleichzeitige stetige Rückgang des Anteils von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur erwachsenen Bevölkerung (Alters- und Jugendquotient) wird in wenigen Jahren eine Umkehrung der quantitativen Generationenverhältnisse erwartet. Sie ist verbunden mit einem weiteren starken Wachstum der älteren Bevölkerungsgruppen, das bis in die Mitte des 21. Jahrhunderts erwartet wird. Es wird somit auch immer mehr ältere Menschen geben, die nicht mehr mit Enkelkindern in ihrem alltäglichen sozialen Nahraum rechnen können.

Diese neuen sozial und gesellschaftspolitisch bedeutenden Herausforderungen erfordern darum die Entwicklung innovativer Wege zur Pflege von ausserfamiliären Generationenbeziehungen. Der Einbezug der auf die jeweiligen Altersgruppen zugeschnittenen Betreuungseinrichtungen von Jung und Alt bietet sich dafür an. Gerade auch deshalb, da diese Einrichtungen die Trennung dieser beiden Altersgruppen bislang noch weiter verstärken. Die Auswirkungen des demografischen Wandels verlangen zudem ein Neubewerten des Stellenwertes von Generationenbeziehungen überhaupt, da die gemeinsame Lebensspanne der Generationen sich ebenfalls stark verlängert hat und damit das Risiko einer Marginalisierung der jungen Generation allein aufgrund des grossen quantitativen Gewichts der alten Generation mehr Rechnung getragen werden sollte.

Für die heutigen und zukünftig geborenen Kinder ist es als ein Vorteil zu betrachten, ein möglichst positives, aber vor allem auch ein differenziertes Altersbild zu entwickeln, da sie aller Voraussicht in einer deutlich von alten Menschen geprägten Gesellschaft aufwachsen werden.

Intergenerative Betreuung als Teil der Zukunftsvision von Curaviva

Markus Leser von Curaviva Schweiz verwies in seinen Ausführungen zur Haltung seines Branchenverbandes der Heime und sozialer Pflegeeinrichtungen auf das „Wohn- und Pflegemodell 2030“ des Verbandes, das mit seinem sozialraumorientierten und ganzheitlichen Ansatz auch intergenerative Betreuungsangebote integriert, um die Wohn- und Lebenswelt älterer Menschen je nach dem individuellen Betreuungs- und Pflegebedarf zu gestalten. Da bei diesem Modell die „bevorzugte Wohnumgebung“ der älteren Menschen bei der Gestaltung der Betreuungs- und Pflegeleistungen einbezogen werden soll, können auch Kinderbetreuungseinrichtungen und ihre generationenverbindenden Angebote einen Beitrag dazu leisten. Dabei unterschied Markus Leser zwischen rein konsumorientierten Treffen wie das jährliche Kinderchorsingen an Feiertagen und den nachhaltigeren regelmässigen Begegnungen, die zu einem persönlichen Austausch und Kennenlernen beitragen und deshalb zu bevorzugen sind.

Sechs-Punkte-Empfehlungen von Kibesuisse

Franziska Frohofer als Vertreterin von Kibesuisse sprach in ihrer Stellungnahme die Befürchtung ihres Verbands für Kinderbetreuungseinrichtungen an, dass es bei intergenerativen Betreuungsangeboten zu einer Instrumentalisierung der Kinder kommen könnte. Sie forderte deshalb in einem Sechs-Punkte-Programm, dass bei den Zielen und in der Umsetzung diesem Risiko Rechnung getragen werden muss. Im Gegensatz zu den älteren Menschen befänden sich die Kinder in einer wichtigen und sensiblen Entwicklungsphase des kindlichen Lernens und des Erwerbs von kognitiven und sozialen Kompetenzen und bedürften deshalb einer besonderen Sorgfalt im Umgang.

Aus diesen Gründen stellte Frau Frohofer auch den Einbezug von Säuglingen, aber auch von Kindern unter drei Jahren für intergenerative Begegnungen in Frage, da diese sich noch zu wenig eigenständig artikulieren könnten und hier eine freiwillige Teilnahme noch nicht sicher gewährleistet werden könne. Während das Postulat einer freiwilligen Beteiligung aller an einer intergenerativen Betreuung und der wichtigen Mittler- und Übersetzerrolle des Betreuungspersonals vom Tagungspublikum unterstützt wurde, löste der geforderte Ausschluss von Säuglingen bzw. Krabbelkindern auch heftigen Widerspruch aus. Es wurde darauf verwiesen, dass auch Säuglinge ihr Unbehagen ausdrücken könnten und es deshalb zentral sei, dass das Betreuungspersonal feinfühlig diese Willens- und Bedürfnisäusserungen wahrnehme und anwaltschaftlich vertrete. Dies gelte im Übrigen entsprechend auch für ältere Menschen, die dement sind oder andere Behinderungen aufweisen, die ihre Autonomie und Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigen.

Forschung bestätigt positive Wirkungen der intergenerativen Betreuung

Die positiven Wirkungen einer intergenerativen Betreuung schilderte Maike Rönnau-Böse, Professorin für Kindheitspädagogik an der Evangelischen Hochschule in Freiburg (Deutschland) anhand der Ergebnisse einer dreijährigen Praxisforschungsstudie mit jeweils drei Kinder- und Altersbetreuungseinrichtungen und einem Mix aus Beobachtungs- und Befragungsmethoden: Negative Altersbilder und gegenseitige Altersstereotypen konnten laut Studie deutlich relativiert werden. Wissen- und Sozialkompetenzen der Kinder werden erhöht, und gerade auch bei Demenzkranken zeigt sich eine positive Wirkung auf Lebensqualität und soziale Teilhabe. Das involvierte Betreuungspersonal beurteilte ihre Mittlerrolle als bereichernd für ihre Arbeit. Sie konstatierten die Reflexion der eigenen Altersbilder und eine Zunahme an Wissen und Kompetenzen im Umgang mit der anderen Generation.

Frau Rönnau-Böse legte aber auch dar, dass diese nachweisbaren positiven Wirkungen an fördernde Rahmenbedingungen geknüpft sind und sich wichtige Erfolgsfaktoren herauskristallisiert haben. Von institutioneller Seite (Einrichtung und Träger) sollte dem Fachpersonal ausreichend Zeit für eine professionelle Vorbereitung und Durchführung gegeben werden. Das Angebot sollte von den Leitungsorganen als verbindliches Engagement betrachtet und gefördert werden. Wichtig für das Gelingen der Begegnungen selbst sind beispielsweise ein offener, aber trotzdem individuell einladender Charakter, der es auch jederzeit erlaubt, sich partiell zurückzuziehen oder eher beobachtend daran teilzunehmen. Das enge und moderierende Begleiten des Betreuungspersonals beider Altersgruppen, das auch bei Irritationen und Missverständnissen gerade in der Kennenlernphase weiterhelfen kann, identifizierte die Referentin als einen weiteren Erfolgsfaktor.  Ebenso wie eine gemeinsame Vor- und Nachbereitung und verbindliche Absprachen des Betreuungspersonals. Ritualisierende Elemente wie ein fester Begegnungszeitraum, ein gemeinsames Willkommenslied und alltagsnahe, allen leicht zugängliche Angebote und Themen geben die notwendige Sicherheit und senken mögliche Hemmschwellen für neue Kontakte.

In den drei untersuchten Praxismodellen fanden die Begegnungen im wöchentlichen Rhythmus von rund einstündiger Dauer bei einer Gruppengrösse von maximal zehn Kindern und zehn Betagten statt, was sich als eine gute Grundkonzeption für einen persönlichen, sich über die Zeit vertiefenden, Austausch erwiesen hatte. Frau Rönnau-Böse betonte, dass es auch nötig sei, sich auf mögliche negative Vorkommnisse einzustellen und dass dem begleitenden Fachpersonal die Aufgabe zukommt, diese zu reflektieren und als Lernprozesse für die Gruppe zu nutzen. Den kostenlosen Online-Leitfaden der Studie empfahl sie allen Interessierten als Lektüre für die praktische Umsetzung.

Gemeinde als Partner einbinden und Netzwerke schaffen

In ihrem „Zwischenruf aus der Politik“ würdigte die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer das wichtige Engagement der Betreuungseinrichtungen für generationenverbindende Projekte. Sie empfahl den Akteuren, sich stärker als bisher miteinander zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und für Dritte sichtbarer zu werden, um damit auch das eigene Projekt zu stärken. Die Generationenplattform, deren Mit-Initiantin und Schirmherrin Frau Bruderer seit ihrem Nationalratspräsidiumsjahr 2010 ist, würde sich als geeignetes Werkzeug dafür anbieten. In der Frage der Verortung einer staatlichen Förderung von intergenerativen Betreuungsangeboten sieht sie in erster Linie die Gemeinden und Städte als Ansprechpartner.

Nachhaltigkeit durch regionale Verbreitung und Qualität erreichen

Als allgemeine Einführung für die «Gute-Praxis-Beispiele» gab Monika Blau einen Überblick über die Modell-Landschaft der intergenerativen Betreuung. Es lassen sich bisher vier Modelle identifizieren, die auf der Tagung jeweils mit einem Prototyp vorgestellt werden. Sie lassen sich in ihren unterschiedlichen Organisationsstrukturen als Kooperations- und Koalitionsmodell sowie als Integrationsmodell bzw. Partielles Integrationsmodell unterscheiden.

Des Weiteren sieht Monika Blau die Pionierphase als beendet an, da genügend Erfahrungen aus Pionierprojekten vorhanden sind. Als nächster Schritt sei jetzt eine flächendeckende regionale Verbreitung anzugehen und darüber hinaus das Etablieren von Qualitätsstandards, die Entwicklung von Bildungsangeboten und die Sensibilisierung von Politik und Gesellschaft für die intergenerative Betreuung.

Alle drei auf der Tagung vorgestellten «Gute-Praxis-Beispiele» bestätigen die positiven Ergebnisse der Freiburger Wirkungsforschungsstudie mit ihren eigenen Erfahrungsberichten, deshalb wird im Folgenden nicht mehr speziell darauf eingegangen, wenn nicht noch zusätzliche wichtige Aspekte zur Wirkung genannt wurden.

Ein Modell der Partiellen Integration: Kita Chäferfäscht in Winterthur

Mirjam Albrecht stellte ihr Projekt „Generationendialog“ in der Kindertagesstätte Chäferfäscht in Winterthur vor, das seit 2010 von ihr durchgeführt wird und das Modell der „partiellen Integration“ auf der Tagung repräsentierte. Bei diesem intergenerativen Betreuungsangebot erhalten Kita-Kinder die Möglichkeit zu intergenerativen Begegnungen durch regelmässige Besuche von freiwillig engagierten Senioren aus der Altersgruppe der 60 bis 80 – Jährigen in der Kindertagesstätte. Die Senioren – zur Zeit sind es fünf Personen beiderlei Geschlechts – kommen individuell jeweils einmal wöchentlich bzw. monatlich für rund zwei Stunden in die Kita. Abgestimmt auf den individuellen Bedürfnissen und Interessen der Senioren, der Kita-Kinder und den Erfordernissen des Kita-Alltags werden gemeinsam mit den professionellen Betreuungspersonen konzipierte und begleitete Zusammentreffen mit den Kindern durchgeführt.

Dieses Modell zeichnet sich besonders dadurch aus, dass eine der beteiligten Altersgruppen (meist die ältere) in dieser intergenerativen Betreuungssituation bei der inhaltlichen Konzeption eine stärker mitbestimmende Rolle – neben dem Betreuungspersonal – zuwächst. Deshalb ist auch die Auswahl der SeniorInnen und deren motivierende und Wissen vermittelnde stetige Begleitung eine wichtige Aufgabe des zuständigen Betreuungspersonals, wie Frau Albrecht betont. Auch ist zu berücksichtigen, dass durch den Freiwilligen-Status der SeniorInnen eine hohe Verbindlichkeit nur begrenzt eingefordert werden kann. Für die Rekrutierung der SeniorInnen ist am meisten Aufwand zu verzeichnen, während im laufenden Betrieb dann kaum zusätzliche Ressourcen erforderlich sind. Die geringe Fluktuation in der Freiwilligengruppe verstärkt diesen Effekt noch weiter. Einen wichtigen strukturellen Erfolgsfaktor sieht Frau Albrecht auch in der stetigen und wohlwollenden Unterstützung durch die Kita-Leitung und die Trägerschaft der Kita von Beginn an, die das Projekt beispielsweise auch durch ihre Öffentlichkeitsarbeit mitgetragen und unterstützt hat. Von den Eltern wird dieses generationenverbindende Angebot in der Kita ebenfalls sehr geschätzt und die Senioren sind den Eltern bekannt.  Zum Schluss ihrer Präsentation wies Frau Albrecht in ihren Empfehlungen noch daraufhin, dass es deutlich geworden ist, dass auch kürzere, aber regelmässige Begegnungen eine nachhaltige Wirkung entfalten können und ein Gradmesser des Erfolgs, die Freude bei allen beteiligten Generationen über ein Wiedersehen ist. Frau Albrecht ist gerne bereit, interessierte Betreuungseinrichtungen beim Aufbau und der Entwicklung eines eigenen Angebots des Partiellen Integrationsmodells zu begleiten.

Das Integrationsmodell: Tandem Tagesbetreuung in Bülach

Mit dem Tandem Tagesbetreuung für Kinder und Senioren in Bülach wird seit 2013 erstmals eine vollständig integrierte gemeinsame Tagesstätte für Kleinkinder ab 3 Monaten und ältere Menschen in der Schweiz angeboten, die im alltäglichen Zusammensein die Generationen miteinander verbindet. Wie die Vorstandspräsidentin und Initiantin Ruth Sarasin darlegte, waren auch ihre fachübergreifenden beruflichen Erfahrungen in beiden Betreuungsbereichen dafür ausschlaggebend, die festgestellten Gemeinsamkeiten bei Bedürfnissen und Interessen der beiden Altersgruppen in einem gemeinsamen Betreuungsmodell positiv wirken zu lassen.

Die Leiterin der Tagesstätte Anja Froehlich beschreibt den Tagesablauf als einen Mix aus einerseits gemeinsamen Aktivitäten wie Essen, Spaziergang und Angeboten zu gemeinsamer, immer freiwilliger Beschäftigung und Spiel, und aus altersgerechten Aktivitäten und andererseits aus dem Aufenthalt in den für die jeweiligen Altersgruppen reservierten Räumen und Ruheorten, die damit auch Rückzugsmöglichkeiten in den beiden zusammengebauten 4.5-Zimmerwohnungen mit Garten bieten.

Für diese Form der intergenerativen Tagesbetreuung sehen die beiden Referentinnen angesichts der Zunahme betreuungsbedürftiger älterer Menschen und gleichzeitig schwindender familiärer Betreuungskapazitäten einen wachsenden Bedarf und eine Alternative zum frühen Eintritt in Altenpflegeheime gerade für ältere Menschen mit geringen Behinderungen oder leichter Demenz. Um eine adäquate professionelle Betreuung gewährleisten zu können, verfügt das Personal über mindestens eine fachliche Ausbildung für eine der beiden Altersgruppen – teilweise sogar für beide. Es hat sich gezeigt, dass damit ein fruchtbarer Austausch über die Fachgrenzen hinweg stattfindet und neue Impulse auch die Arbeit des Personals bereichern. Aufgrund des besonderen Pioniercharakters dieses Modells sehen sich die Referentinnen aber auch vielen besonderen Herausforderungen gegenüber: Auf Seiten der Betriebsorganisation verdoppelt sich der Aufwand, da die unterschiedlichen Regelungen und Zuständigkeiten in beiden Betreuungsbranchen zu berücksichtigen und zu erfüllen sind. Zum anderen zeigen sich Hemmschwellen und Vorurteile bei den Angehörigen und bei den Senioren gegenüber diesem unüblichen Konzept wie gegenüber einer Tagesbetreuung von Senioren im Allgemeinen.  Zudem zeigte sich, dass die Finanzierung einer Tagesbetreuung auf Seiten der älteren Menschen sich aus unterschiedlichen Gründen besonders schwierig gestaltet. Deshalb ist der Auslastungsgrad nach vier Betriebsjahren, besonders im Bereich der Seniorenbetreuung mit 40% noch nicht erreicht worden, so dass die Tagesbetreuungsstätte noch nicht selbsttragend existieren kann und bislang auf das aufwändige Einwerben von Spendengeldern zurückgreifen muss.

Das Kooperationsmodell: Kita Paradies und Pflegezentrum Entlisberg, Stadt Zürich

Das letzte Praxisbeispiel stellte die Leiterin Christine Klumpp der städtischen Kindertagesstätte Paradies vor, das sich seit 2001 im gleichen Gebäude des gleichfalls städtischen Pflegezentrums Entlisberg in Zürich befindet. Die generationenverbindende Zusammenarbeit mit dem Pflegezentrum hat sich über die Jahre aus den zufälligen Begegnungen im gemeinsam genutzten Garten oder den Tierparkbesuchen allmählich entwickelt. Das wechselseitige Interesse einiger Kinder und älterer Menschen bei diesen spontanen Begegnungen war der Anlass, den Austausch auch bei anderen Gelegenheiten in regelmässigeren Formen zu ermöglichen. Dazu werden die Veranstaltungen des Pflegezentrums wie der Bewegungsclub genutzt und gegenseitige, meist wöchentliche Besuche organisiert. Wichtig ist dabei, auf neu entstehende Möglichkeiten für Begegnungen im Alltag flexibel zu reagieren und diese Chancen wahrzunehmen. Die Referentin betonte besonders, dass bei allen Angeboten darauf speziell geachtet wurde, dass kein zusätzlicher personeller Aufwand entstand, um eine solche nachhaltige Zusammenarbeit aufzubauen. Wert wird besonders der Reflexion über die Begegnungen und der stetigen Wissensvermittlung über die andere Altersgruppe beim beteiligten Personal beigemessen, um zum Beispiel auch Fragen der Kinder angemessen beantworten zu können und gegenseitiges Verständnis für das Verhalten und die Bedürfnisse der anderen Generation zu wecken.

Bereicherung für den Betreuungsbereich

Beim abschliessenden Podiumsgespräch mit allen Referenten und dem Publikum wurde im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung nochmals darauf hingewiesen, welche tragende Rolle das begleitende Personal bei den verschiedenen intergenerativen Betreuungsmodellen zukomme und Weiterbildungsangebote wünschenswert wären. Inwieweit eine komplette Verschmelzung beider Betreuungsmodelle und damit auch der Branchen wirklich anzustreben sei, wurde kontrovers diskutiert. Eine bessere regionale Vernetzung und der Austausch über Branchengrenzen hinweg wurde aber als sinnvoll betrachtet. Einig war man sich auch darin, dass die intergenerative Betreuung in ihrer Modellvielfalt eine Bereicherung für die Betreuung von Jung und Alt darstelle. In der Folge sollten deshalb auch Pionierprojekte auf lokaler und regionaler Ebene stärker begrüsst werden als dies bisher gemeinhin der Fall gewesen ist. Voraussetzung wäre, dass die Projektverantwortlichen auch den Austausch mit anderen Akteuren und den staatlichen Stellen aus Gemeinde und Kanton suchen.

 

Der Tagungsbericht wurde verfasst von Monika Blau, Programmleiterin Intergeneration

 

Die Tagungsdokumentation (Programm, Abstracts, Referate und Medienberichte) finden Sie in unserem Kurzbericht. Diese Veranstaltung fand im Rahmen unseres Intergeneration-Förderschwerpunktes Fokus Generationenverbindende Betreuungsinstitutionen statt. Eine weitere Tagung “Intergenerative Betreuung – erfolgreich durch eine interdisziplinäre Praxisgestaltung” fand am 27. November 2018 gemeinsam mit Careum Weiterbildung statt. Hier der Kurzbericht mit der Tagungsdokumentation.

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