Warum widmet ein Unternehmen wie Swiss Re dem Thema Alter und Generationenbeziehungen einen Grossteil seiner Diversity-Aktivitäten?
Helena Trachsel: Im Wissen, dass wir spätestens im Jahr 2015 eine deutliche Verknappung von jungen arbeitsfähigen Leuten auf dem europäischen Arbeitsmarkt haben werden, müssen wir erfahrene Mitarbeitende länger im Unternehmen behalten.
Welche Massnahmen dienen diesem Ziel?
Trachsel: Es braucht mehr Investitionen in die stetige Weiterbildung auch unserer älteren Mitarbeitenden. Man muss sich beispielsweise fragen, ob nicht auch der 55-Jährige noch Chinesisch lernen soll, der eine besondere Beziehung zum asiatischen Markt hat. Oder ob nicht auch die 53-Jährige noch eine Führungsausbildung absolvieren soll, die sich durch besondere Führungskompetenzen auszeichnet. Auf diese Art könnte es gelingen, Menschen zu motivieren, auch über das offizielle Pensionsalter im Unternehmen zu bleiben.
Die Post beispielsweise setzt auf generationenübergreifende Mentoring-Partnerschaften. Eine Option auch für Swiss Re?
Trachsel: Wir sind tatsächlich dabei, entsprechende Mentoring-Programme in die Tat umzusetzen. Ältere Männer und Frauen können ihre langjährigen Erfahrungen an die Jungen weitergeben; die Jüngeren, die oft stärker sind im Bereich Informatik und neue Technologien, können ihren älteren Kollegen auf diesem Feld weiterhelfen. Damit würden beide Generationen eine zusätzliche Wertschätzung ihrer Arbeit erfahren. Darüber hinaus würde es sicherlich dazu beitragen, gegenseitige Vorurteile abzubauen.
Vorurteile welcher Art?
Trachsel: Viele Ältere sind überzeugt, dass die Jüngeren zwar über gutes Schulwissen, aber viel zu wenig praktische Erfahrung verfügen. Also lassen sie sich ungern von einem jungen Mitarbeiter etwas sagen. Etliche Junge hingegen glauben, dass ihre Ausbildungen das Gelbe vom Ei seien und dem Wissen der Alten weit überlegen. So treten sie mitunter etwas grossspurig auf und lassen es an Fingerspitzengefühl gegenüber den “alten Hasen” fehlen.
Was würden Sie sich von den einen, was von den anderen Kollegen und Kolleginnen wünschen?
Trachsel: Von den Älteren würde ich mir mehr Souveränität, auch Seniorität und eine innere Grosszügigkeit wünschen, dank der sie den jungen Kollegen auch einmal das Feld überlassen können. Sie sollten sich sagen: Auch ich habe vieles im Unternehmen bewegen dürfen, jetzt trete ich einen Schritt zurück. Ich bin ja immer noch da zum Auffangen und Unterstützen, wenn etwas schief geht. Die Jungen sollten manchmal etwas diplomatischer auftreten und etwas mehr Geduld zeigen. Beiden würde es guttun, einander besser zuzuhören.
Ein Thema, das das Verhältnis von Jung und Alt im beruflichen Umfeld mit Sicherheit belastet, ist der sogenannte “Jugendwahn der Wirtschaft”. Wer älter als 50 ist, fühlt sich schnell einmal auf dem Abstellgleis. Zu Recht?
Trachsel: In Bereichen wie der IT-Branche, wo es sehr starke Konkurrenz gibt, ist die Befürchtung durchaus berechtigt. Da sind die älteren Mitarbeitenden auch die teureren. Wenn sich gleichzeitig ein Jüngerer bewirbt, bekommt er die Stelle. Bei einem Rückversicherer wie Swiss Re, der angewiesen ist auf hochspezialisierte Fachleute, die auch dank Alterserfahrung zu ihrem Wissen kommen, ist die Chance intakt, auch als gutqualifizierter 50-, ja, 55-Jähriger neu angestellt zu werden. Wobei diese Leute flexibel genug sein müssen, gewisse Lohneinbussen hinzunehmen oder auf einen hierarchischen Titel zu verzichten.