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Vier Generationen statt bloss Jung und Alt

Die Berner Psychologieprofessorin Pasqualina Perrig-Chiello forscht rund um das Thema Entwicklung, Generationen und Alter. Sie betont, die heutige Gesellschaft bestehe nicht nur aus „Jung und Alt“, sondern aus vier Generationen. Was bedeutet das für Projekte, bei denen sich Menschen in verschiedenen Altersstufen begegnen?

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Foto: Job Caddie, ein Generationenprojekt, das auch die mittlere Generation anspricht.

Frau Perrig-Chiello, Sie befassen sich mit der Generationenforschung und sprechen von einer Vier-Generationen-Gesellschaft, die sich aufteilt in Kindheit/Jugend/junges Erwachsenenalter, Mittleres Lebensalter, Junges Alter und Hohes Alter. Kommen in Generationenprojekten alle vier ausreichend miteinander in Berührung? 

Leider nicht. In der Regel werden nur junge alte Menschen und Kinder berücksichtigt, also die Generationen der Grosseltern und Enkel. Solche Jung und Alt-Projekte gibt es viele. Am wenigsten beteiligt sind Menschen des mittleren Lebensalters, die Scharniergeneration. Sie wird häufig ausgeblendet, was seine Gründe hat: Im Alter zwischen 35 und 60 Jahren ist man beruflich und gesellschaftlich eingebunden, die Freizeit ist rar.

 

Was gäbe es denn für Möglichkeiten, die mittlere Generation vermehrt einzubinden?

Ich könnte mir Generationenprojekte am Arbeitsplatz vorstellen, etwa in einer Werkstatt, aber auch in Altersheimen, wo niederschwellige Treffpunkte geschätzt werden. Auch Wohngemeinschaften und Generationenhäuser können zum Austausch beitragen. Grundsätzlich gilt: Alle Altersgruppen sind am besten zu motivieren, wenn das Projekt ihnen einen persönlichen Gewinn bringt. Die mittlere Generation, die nicht immer auf die Hilfe der Grosseltern zählen kann, könnte beispielsweise entlastet werden, indem ältere Frauen Mittagstische oder Hausaufgabenhilfe anbieten. Die Mütter würden im Gegenzug einkaufen und Fahrdienste übernehmen. In diesem Sinne könnten die herkömmlichen Mutter-Kind-Gruppen in den Quartieren als Mütter-Kind-Grosseltern-Gruppen erweitert werden.

 

Sollte der positive Effekt von solchen Projekten stärker thematisiert werden?

Auf jeden Fall! Wir sollten viel mehr darüber sprechen und darüber informieren. Projekte, die mehrere Generationen einbeziehen anstatt nur Jung und Alt, müssen eine Selbstverständlichkeit werden. Der Mensch sucht grundsätzlich Anschluss, aber es müssen die dafür notwendigen Gefässe geschaffen werden.

 

Gerade die mittlere Generation hat ja noch keine Rente, von der sie leben kann. Projekte, die 35 bis 60-jährige Menschen einbeziehen, sind somit nicht gratis zu haben. Wie realistisch ist das angesichts des heutigen Spardrucks?

Gerade in Zeiten, in denen gespart wird, braucht es diese Projekte, denn sie sind nachhaltig – im Unterschied zu manch anderem, das sich mit diesem Adjektiv brüstet. Wir müssen uns heute fragen, ob wir morgen eine Gesellschaft wollen, in der jeder nur für sich selber schaut, oder ob wir eine solidarische Gesellschaft möchten. Wir sind eine Gesellschaft des langen Lebens geworden, aber den Modus Vivendi dafür müssen wir erst noch finden. In einer kalten Welt, wird es nicht lustig sein, alt zu werden. Projekte, die zwei oder drei Generationen verbinden, sind somit weit mehr als nice to have.

 

Kann die Kluft zwischen Kindern/Jugendlichen und alten Menschen in Projekten auch zu gross sein?

Absolut. Junge Menschen haben ganz andere Lebensaufgaben, als ans Alter zu denken. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass sie sich dann sehr wohl für Fragen rund um das Alter interessieren, wenn sie einen familialen Bezug herstellen können, wenn sie nach ihrer eigenen Familie gefragt werden.

 

Verstehen sich benachbarte Generationen somit besser?

Nein, meistens eher im Gegenteil: Werte wie Frieden oder ökologische Fragen werden erstaunlicherweise eher zwischen den Generationen der Enkel und Grosseltern geteilt. Ich würde sogar sagen: Je näher sich die Beteiligten altersmässig sind, desto mehr wollen sie die Identität ihrer Generation schützen und desto eher tauchen Interessenskonflikte auf. Liegen sie hingegen an Jahren weit auseinander, gibt es weniger Reibungsfläche.

 

Wurde oder wird über die unterschiedlichen Effekte im Zusammentreffen der vier Generationen geforscht?

Es gibt noch immer sehr wenig Forschung dazu. Eine Evaluation von einem Drei-Generationen-Projekt kenne ich keine einzige. Auch Zwei-Generationen-Projekte wie die häufigeren Jung und Alt-Projekte wurden bisher nur wenige ausgewertet. Das Thema ist noch immer Neuland. Vielleicht muss ich hinzufügen: Die Effekte lassen sich schwer aufzeigen. Zwischenmenschliche Beziehungen sind eben nicht so leicht messbar.

 

Das Interview mit Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello wurde im Juni 2015 geführt. Ein Blogbeitrag der Zürcher Autorin Daniela Kuhn im Auftrag von Intergeneration

 

Foto: Job Caddie, ein Generationenprojekt, das auch die mittlere Generation anspricht. Weitere Beiträge zum Einbezug aller Generationen in Projekten und zur Generationenforschung finden Sie hier.

 

Was halten Sie von der Forderung nach Generationenprojekten, die – neben den Jung und Alt-Projekten – auch die anderen Generationen verstärkt ansprechen?     

1 Kommentar

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    Ich mache die Ausbildung zur Aktivierungsfachfrau HF und überlege mir, ein Generationenprojekt für meine Diplomarbeit zu starten. Auch mir kam der Gedanke, dass ich nicht “nur” jung und alt verbinden möchte, sondern die Generationen dazwischen gerne einbeziehen will. Deshalb für mich interessantes Interview.

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