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Ruedi Winkler
Ruedi Winkler - 01.10.2015

Artikel zur öffentlichen Veranstaltung der Zeitvorsorge KISS Genossenschaft

Nachbarschaftshilfe mit Zeitvorsorge in Wallisellen?

Einleitung

Unsere Gesellschaft verändert sich. Die Familien sind kleiner. Die Mobiliät ist höher, die Nachbarn wechseln deshalb öfter. Das verringert das Ausmass der Unterstützung, die familienintern und unter Nachbarinnen und Nachbarn geleistet werden kann. In Notfällen, und wenn jemand regelmässig auf Unterstützung angewiesen ist,  werden die Möglichkeiten im eigenen Netz kleiner. Damit diese Art der Unterstützung weiterhin gewährleistet ist, müssen neue Wege gefunden werden.

Zugleich findet eine oft unterschätzte demografische Veränderung statt. Die ist zwar nicht in allen Gemeinden gleich, in der Tendenz jedoch schon: Der Anteil der Menschen im Beschäftigtenalter geht zurück. Es ist eine neue Lebensphase zwischen Pensionierungsalter und etwa 75 entstanden, in der die Menschen noch meist recht gesund und aktiv sind. Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit gibt es diese Lebens­phase. Und als Drittes: Die Zahl der Menschen über 80 wird sich in den nächsten rund 20 Jahren praktisch verdoppeln.

Auch nach 80 sind die meisten Menschen noch in der Lage, in den eigenen vier Wänden zu leben. Sie sind jedoch zunehmend auf Unterstützung angewiesen. Das sind in der Regeln die Unterstützungen, die innerhalb der Familie oder unter den Nachbarn ge­leis­tet wird. Z.B. bestimmte Einkäufe besorgen, regelmässig zu Besuch gehen und schauen, wie es geht, Unter­stützung im Haushalt usw. Der Bedarf an solchen Handreichungen nimmt zu. Wenn jedoch die Kinder im Ausland oder nur schon in der Schweiz weiter weg sind, und wenn die Nachbarn schneller wechseln, dann reduziert sich das Potenzial der möglichen Helferinnen und Helfer. Aber auch die jüngeren Gene­rationen spüren diese Ausdünnung. Wenn jemand z.B. den Arm oder das Bein bricht und deshalb für eine bestimmte Zeit Unterstützung braucht, wird das oft in der Nachbarschaft oder in der Familie geregelt. Wenn dies zum Teil  wegfällt oder weniger gut möglich ist, dann ist Ersatz nötig.

Das Modell KISS

An diesem Punkt setzt KISS an. KISS will mit seinem Modell der Nachbarschaftshilfe mit Zeit­vorsorge dazu beitragen, dass Lücken in der gegenseitigen Unterstützung gefüllt werden können bzw. gar nicht entstehen.. Es soll für zusätzliche Personen attraktiv werden, freiwillig andere zu unterstützen. KISS geht davon aus, dass eine Vielfalt an Arten der Freiwilligenarbeit diese belegt und fördert. Personen, die Freiwilligenarbeit leisten möchten, sollen die ihnen am besten ensprechende Art wählen können. Deshalb legt KISS viel Wert auf die Zusammenarbeit mit schon bestehenden Freiwilligen­organisationen. Will eine bestehende Organisation die Zeitvorsorge nach KISS einführen, kann sie sich dem Netzwerk KISS anschliessen.

Das Modell KISS basiert auf drei Grundprinzipien:

KISS ist sehr dezentral organisiert. In den Gemeinden, oder in grösseren Städten in den Quartieren, werden KISS Genossenschaften gegründet. Diese sollten grundsätzlich nur so viele Mitglieder haben, dass  sich diese noch kennen und miteinander vertraut sind. Die Genossenschaften spielen eine sehr  zentrale Rolle bei KISS, einerseits als Ort des Kennenlernens, des Austauschens und der Gemeinschaft im Sinne  einer Community.  Andererseits ermöglichen sie mit der be­schränkten Grösse Transparenz und durch diese eine unmittelbar integrierte Qualitätssicherung. Die bei KISS Engagierten, ob Unterstützende oder die Personen, die Unterstützung benötigen, sind Mitglieder der Genossenschaft. Als solche bestimmen sie die  Entwicklung der Ge­nossenschaft mit und haben Einfluss auf diese.

Damit die Zeitvorsorge mit Zeittausch möglichst überall zur Anwendung kommen kann, braucht es eine möglichst weite Verbreitung der Genossenschaften und der angeschlossenen Organisationen. Obwohl die Ge­nossen­schaften sehr eigenständig sind, gewährleistet die Zusammengehörigkeit unter dem Dach des Vereins KISS erstens die Einhaltung der verbindlichen Minimalstandards und zweitens den Austausch der Stunden über die Genossenschaften hinweg. Dies ist im Zusammen­hang mit der Mobilität in unserer Gesellschaft eine sehr wichtige Anforderung.

Wer eine Stunde lang jemanden unterstützt, erhält diese Stunde gutgeschrieben und kann diese Stunde später bei Bedarf beziehen (Zeitvorsorge)  oder  jemandem schenken.  Die ge­leisteten Stunden werden in einem EDV-System gutgeschrieben und von der Person, die die Unterstützung er­halten hat, bestätigt.

Das Modell KISS beruht auf einem zivilgesellschaftlichen Ansatz und die Entwicklung von KISS wird stark von den Personen geprägt, die direkt engagiert sind. Deshalb sind es auch die Genossenschaften, die als Mitglieder des Vereins die Dachorganisation, den Verein KISS,  bestimmen. Die Zeitvorsorge baut auf das Vertrauen auf die Solidarität zwischen den Generationen, auch der zukünftigen,  und deren Bereitschaft, ihrerseits ihren Teil zur sozialen Sicherheit beizutragen. KISS ist ein zivilgesellschaftliches Projekt. Der Aufbau der Genossenschaften geschieht in der Regel mit einem hohen Anteil von ehrenamtlicher Arbeit und Unterstützung durch Stiftun­gen, private Organisationen und teilweise durch die öffentliche Hand. Eine Zeitvorsorge Genossenschaft KISS entsteht nur dann, wenn sich am Ort der Entstehung genügend Personen dafür enga­gieren.

30.09.2015 / Ruedi Winkler im Walliseller Anzeiger

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